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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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saß auf dem Balkon seiner Wohnung und
hatte sich gerade eine zweite Wolldecke geholt. Im Schatten wurde es
empfindlich kalt.
    Der Kommissar ließ den Tag und die Woche vor seinem
inneren Auge vorbeiziehen. Er erinnerte sich an die Unruhe, die ihn am
Vormittag befallen hatte, als er mit Julia hier auf dem Balkon gesessen hatte.
Er war davon ausgegangen, dass Mertens hinter einem Video her war, das ihn
belastete, und dass er deswegen Annika und Marie gefährlich werden könnte.
Diese Gefahr war nun gebannt.
    Aber wer war der zweite Täter?
    Vermutlich war Holler von den beiden Mädchen ins
Vertrauen gezogen worden und hatte Belastendes über Mertens erfahren. Annika
zufolge wollte Holler das Jugendamt vor Mertens warnen. Doch das, was er in
Hollers Akten gefunden hatte, reichte als Motiv für einen Mord bei Weitem nicht
aus. Und es war nur Wissen vom Hörensagen. Ob Holler im Besitz des ominösen
Videos gewesen war? Aber wäre sie damit nicht zur Polizei gegangen? Oder hatte
sie sich der ärztlichen Schweigepflicht verpflichtet gefühlt?
    Die zweite Decke reichte nicht mehr, um ihn zu wärmen.
Mayfeld beschloss, nach drinnen zu gehen. Er legte eine CD in den Player seiner Musikanlage, die »Kreisleriana« von Schumann, gespielt von
Martha Argerich.
    Ein Stück mit fast wahnwitzigen Anforderungen an die Technik
der Pianistin, das die Zerrissenheit Schumanns zum Ausdruck brachte, seine zwei
Gesichter. Es hatte vor einigen Jahren bei der Aufklärung einer seiner
verzwicktesten Fälle eine wichtige Rolle gespielt. Er überlegte, ob er sich
einen ersten Schluck Wein gönnen sollte, entschied sich dann aber doch für
einen weiteren Kaffee. Schließlich musste er noch nach Kiedrich fahren, um die
Gärung in seinen Fässern zu kontrollieren.
    Er holte sein Notebook, setzte sich mit Kaffeetasse
und Computer an den Esstisch, öffnete die Dateien, die er auf dem USB -Stick gespeichert hatte, und ging die Unterlagen zu
den Ermittlungen noch einmal durch.
    Die Merkwürdigkeiten in diesem Fall hatten damit
begonnen, dass es kaum Patientenunterlagen in der Praxis gegeben hatte. Der Täter,
also vermutlich Mertens, hatte den Computer und die Speichermedien entwendet
und zur Tarnung noch ein paar andere Sachen gestohlen. Glücklicherweise hatte
er einen USB -Stick und eine Speicher- DVD übersehen. Der USB -Stick
hatte ihnen zunächst nicht weitergeholfen, weil auf dem nur die Akten der
Patienten gespeichert waren, die im Oktober bei Frau Dr. Holler gewesen
waren.
    Bei diesem Gedanken blieb Mayfeld hängen. Irgendetwas
stimmte hier nicht. Mayfeld öffnete einen Kalender in seinem Notebook. Marie hatte
ihre Termine bei Dr. Holler montags. Sie war wegen der Ferien und des
Feiertags im Oktober wahrscheinlich nicht bei Dr. Holler gewesen. Aber
Annika hatte ihren Termin dienstags, also war sie am 4. Oktober vermutlich
in der Praxis gewesen. Und sie hatte gestern von einem Notfalltermin, den sie
»letztens« wahrgenommen hatte, gesprochen. Ihr Besuch hätte also sehr wohl auf
dem USB -Stick dokumentiert sein müssen.
    Das würde bedeuten, dass die Datei mit Annikas
Krankenakte auf dem Datenträger gelöscht worden war. Wenn der Täter den Stick
gefunden hätte, hätte er ihn wie alle anderen Speichermedien, derer er habhaft
geworden war, verschwinden lassen. Aber Mayfeld hatte ihn in der Praxis
gefunden, und dennoch waren keine Aufzeichnungen von Annikas Besuch darauf
gewesen. Jedenfalls nicht mehr am folgenden Tag. Vor ihm hatte Burkhard den
Stick durchgesehen. Aber warum hätte der eine Datei löschen sollen?
    Mayfeld stöberte weiter in den Unterlagen. Adler hatte
die auf Hollers Festnetz und Handy ein- und ausgehenden Telefongespräche in
einer übersichtlichen Liste zusammengefasst. Am Tag vor ihrem Tod hatte Holler
um zwölf Uhr einen Anruf vom Festnetzanschluss der Fromms auf ihr Handy
bekommen und um zwanzig Uhr zurückgerufen. Um fünfzehn Uhr hatte sie von ihrem
Festnetztelefon aus mit dem Jugendamt in Bad Schwalbach gesprochen. Ein
beruflich bedingter Anruf, hatte Sandor Weisz vermutet; um einen Auftritt bei
der Weihnachtsfeier der Kreisverwaltung zuzusagen, hatte Oliver Grewe
behauptet. Einen Auftritt, um den er sie ein paar Tage zuvor gebeten hatte.
Mayfeld scrollte die Liste zurück, aber er fand weder eine Nummer der
Kreisverwaltung noch die Privatnummer von Grewe.
    Er rieb sich die Schläfen. Ärgerlich, dass er Grewes
Behauptung nicht früher überprüft hatte. Möglicherweise hatte er die Anfrage ja
anders an Holler

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