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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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besten war es jetzt wohl, die Füße ruhig zu halten und eine
Runde zu pennen.
    Sie träumte von einem ausgebrannten Auto und zwei
verkohlten Leichen, die aus dem Auto stiegen. Komm mit, riefen die Leichen,
aber sie rannte davon. Rannte vor Mama und Papa davon. Das Feuer breitete sich
aus und kam hinter ihr her, kam immer näher und näher. Als es schon an ihren
Beinen züngelte, ging ein Gewitter über ihr nieder, ein Blitz durchfuhr
krachend den Himmel, das Donnergrollen folgte sofort, ein Wolkenbruch löschte
das Feuer. Sie wurde mit einem Leichenwagen weggebracht. Ein Mann trug sie in
eine Gruft, wo drei Teufel auf sie warteten. Die Teufel hatten blutige Spieße
und stachen auf sie ein, in den Mund, den Bauch und den Rücken. Es regnete und
regnete und regnete.
    Sie wachte klitschnass auf.
    Irgendjemand rief in der Ferne ihren Namen. Sie sah
zum Fenster und erblickte Kevins Gesicht. Sie zwickte sich, aber das Gesicht
ging nicht weg. Ihr Gehirn begann langsam wieder normal zu ticken. Kevin hatte
also mit den Daten, die sie ihm geschickt hatte, etwas anfangen können, und er
hatte sich die Mühe gemacht, sie zu suchen. Eigentlich ziemlich überraschend.
Sie ging mit ihrem Gesicht ganz nahe an die Fensterscheibe heran, Kevin
rüttelte an den Gittern vor dem Fenster.
    »Das Ding lässt sich nicht aufmachen, ich bin
eingeschlossen«, schrie sie.
    »Bist du allein?«, schrie Kevin zurück.
    Sie nickte.
    »Ich breche die Tür auf«, brüllte Kevin und
verschwand.
    Ein paar Minuten später hörte sie ihn im Haus nach ihr
rufen. Sie schrie, so laut sie konnte. Kevin stocherte mit irgendetwas im
Schloss der Zimmertür herum.
    »Was geht denn hier ab?«, war seine erste Bemerkung,
nachdem er die Tür geöffnet und Marie und das Zimmer gemustert hatte.
    »Danke, dass du gekommen bist«, antwortete sie. »Ein
irrer Riese behauptet, dass er mich nachts im Wald aufgelesen und
hierhergebracht hat. Er kann sich nicht entscheiden, ob ich Schneewittchen oder
Dornröschen bin oder Goldmarie oder Pechmarie, und hat mich in seinem Haus
eingesperrt.« Genau genommen hatte Basti gar nicht gesagt, wo er sie gefunden
hatte. Aber das war jetzt egal.
    »Was hast du denn genommen?«, wollte Kevin wissen. Er
ging zum Bett und betrachtete die Sachen, die Marie dorthin geworfen hatte. »Wo
hast du die Fotos her?«, herrschte er sie an.
    »Was geht dich das an?«, antwortete sie patzig.
    »Du hast sie Annika geklaut.« Kaum war Kevin da,
machte er Stress.
    »Hast du die Tür eigentlich mit einem Dietrich
aufgekriegt? Scheinst ja ziemliche Routine mit so was zu haben.« Vielleicht
konnte sie ihn auf ein anderes Thema lenken.
    »Annika hat die Bilder nämlich von mir. Sie meinte,
dass du vielleicht auch ihr Handy hast mitgehen lassen. Ich soll es ihr
zurückbringen.«
    Er kramte in den Sachen, die auf dem Bett lagen,
drehte den Rucksack um und schüttelte ihn aus.
    »Wo ist das verdammte Handy?« Er kam auf sie zu und
streckte ihr seine Hand fordernd entgegen. »Sei nett, Schwesterchen, und rück
das Handy raus.«
    »Ich bin nicht dein Schwesterchen«, fauchte sie und
wich zurück, Richtung Tür.
    Kevin hob begütigend die Arme. »Okay, okay, Marie. Du
hast mir deine GPS -Koordinaten geschickt, ich bin
gekommen. Du hast mich gebeten, ich solle dich hier rausholen, ich hab die
Türschlösser geknackt. Wenn du willst, fahre ich dich von hier weg, wohin du
willst. Das Einzige, worum ich dich bitte, ist, mir ein Handy zu geben, das dir
nicht gehört und das du meiner Schwester weggenommen hast. Das ist ein ziemlich
fairer Deal.«
    Maries Erinnerungen an ihre letzte Begegnung mit
Annika waren ziemlich lückenhaft. Aber an einen Satz erinnerte sie sich
mittlerweile ganz genau: »Gib das Handy niemandem in die Hand außer mir.«
Eigentlich ein erstaunlicher Satz für jemanden, der sich gerade das Leben
nehmen wollte. Irgendwas hatte sie dann noch von Kevin gemurmelt und dass sie
sich vor dem Arschloch und vor den Bullen in Acht nehmen sollte. Und jetzt
wollte Kevin unbedingt das Handy haben.
    »Wenn du das Handy behalten willst, dann soll es mir
recht sein.« Kevins Stimme war plötzlich viel freundlicher. »Annika hat
bestimmt auch nichts dagegen. Aber ich muss mir das Teil mal genau anschauen.
Ich denke, dass eine SD -Karte drinsteckt, die mir
gehört. Also sei fair, Marie, und rück das Handy raus.«
    Darauf lief es also hinaus. Annika hatte irgendein
Geheimnis ihres bescheuerten Bruders entdeckt und in ihrem Handy oder auf einer
Karte gespeichert.

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