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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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nach Geisenheim.
    »Haben Sie Marie gefunden?«, fragte Stefanie
Lachner, als sie Mayfeld die Tür öffnete. Der Tonfall ihrer Frage verriet
nicht, ob sie sich darüber freuen würde.
    Eher nicht, vermutete Mayfeld.
    »Tut mir leid, nein. Aber es haben sich noch ein paar
Fragen ergeben.«
    »Kommen Sie herein.« Stefanie Lachner trug ein
himmelblaues Kleid und teuer wirkenden Goldschmuck, Halskette, Armreif und
Ohrringe. Sie war frisch geschminkt und frisiert und sah aus, als wollte sie
gerade ausgehen, aber aus dem Kinderzimmer hörte Mayfeld Jonas Maximilian
quengeln. Das war also ihre Aufmachung für zu Hause.
    Sie bot Mayfeld Platz an, setzte sich ihm gegenüber
auf das weiße Ledersofa und legte die Beine elegant übereinander.
    »Und was haben Sie für Fragen?«
    »Sie haben mir verschwiegen, dass Marie von Ihnen
adoptiert wurde.«
    Stefanie Lachner spielte mit ihrer Halskette.
    »Das habe ich nicht verschwiegen, ich habe es
lediglich nicht erwähnt. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass das
irgendetwas sein könnte, was Ihnen hilft, Marie zu finden. Und ich verstehe Ihr
Interesse für diesen Aspekt ihrer Biografie auch nicht.« Sie schenkte ihm ein
glattes Lächeln.
    Jonas Maximilians Quengeln wurde lauter.
    »Sie entschuldigen mich bitte für einen Moment.«
    Sie stand auf und verschwand ins benachbarte Zimmer.
    Mayfeld schaute sich um. Alles hier war perfekt
arrangiert. Designermöbel, Kunst an der Wand, geschmackvolle Blumenarrangements
auf dem Tisch. Eine Wohnung bewohnt von kultivierten und wohlhabenden Menschen.
Er rief sich die Fotografie von Marie in Erinnerung, die ihm die Adoptivmutter
gestern gegeben hatte. Ein strubbeliges, schwarz gekleidetes, finster
dreinblickendes Mädchen. Es passte nicht in diese schicke, durchgestylte
Umgebung. Und nicht zu dieser schicken, durchgestylten Mutter.
    Aber wann passten vierzehnjährige Mädchen und ihre
Mütter je zusammen?
    Stefanie Lachner kam zurück.
    »Wir müssen alles über verschwundene Kinder wissen.
Jedes Detail kann einen Hinweis darauf geben, wo wir sie finden können«,
erklärte Mayfeld.
    Stefanie Lachner lächelte spöttisch. »Bei ihren
leiblichen Eltern? Die sind tot und liegen auf dem Geisenheimer Friedhof.«
    Diese Frau war hübsch wie eine Barbiepuppe und kalt
wie ein Kühlschrank, dachte der Kommissar.
    »Nach dem Unfall ihrer Eltern lebte sie zwei Jahre bei
der Familie Mertens in Oestrich.«
    »Ganz recht.«
    »Warum haben Sie sie nicht gleich zu sich genommen?«
    »Inwiefern könnte Ihnen meine Antwort auf diese Frage
bei der Suche nach unserer Tochter helfen?«
    Stefanie Lachner lag vermutlich nichts daran, dass
Marie gefunden wurde. Daran konnte Mayfeld nichts ändern. Aber den
unverfrorenen Ton wollte er sich nicht weiter bieten lassen.
    »Bitte überlassen Sie mir die Fragen und versuchen es
einmal mit Antworten. Ich habe es mit einer verschwundenen Jugendlichen und
einer ermordeten Frau zu tun, zwischen denen es eine Verbindung gibt. Ich muss
Sie dringend auffordern zu kooperieren.«
    Das Lächeln auf Stefanie Lachners Gesicht starb einen
plötzlichen Kältetod. Sie dachte eine Weile nach. Dann schien sie sich
entschieden zu haben zu reden.
    »Es ist keineswegs so, dass wir uns irgendetwas
vorzuwerfen hätten, Herr Kommissar. Ich war zweiundzwanzig, als Maries Eltern
bei einem Verkehrsunfall starben. Ihre Mutter war meine ältere Schwester. Meine
Mutter saß mit im Wagen und wurde bei dem Unfall schwer verletzt. Sie hat zwei
Jahre mehr oder weniger um ihr Leben gerungen und diesen Kampf zum Glück
gewonnen. Ich war damals nicht in der Lage, mich um Marie zu kümmern. Als es
Mama wieder halbwegs gut ging, haben wir Marie zu uns genommen. Meine Mutter
hat sich um sie gekümmert. Der Kontakt zu Annika und Kevin stammt aus Maries Zeit
bei der Pflegefamilie. Mama meinte, den dürfe man nicht unterbinden. Ich war da
anderer Meinung, aber verbieten sie mal einer renitenten Zwölfjährigen etwas,
wenn die eigene Mutter dagegen arbeitet. Marie hatte alle Liebe dieser Welt bei
uns, aber der Tod von Mama und die Geburt von Jonas Maximilian waren wohl zu
viel für sie. Es drehte sich plötzlich nicht mehr alles nur um sie, und das
können Mädchen in dem Alter schlecht ertragen. Mehr kann ich Ihnen nicht
sagen.«
    Hinter der unterkühlten Fassade von Stefanie Lachner
verbarg sich möglicherweise eine verletzte Frau, die in den letzten Jahren viel
mitgemacht hatte und sich schützen wollte. Vielleicht sollte er etwas
freundlicher zu ihr

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