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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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sich
oder anderen machten, ließen sich damit ohne Weiteres erklären. Aus völlig
anderen Gründen galt Ähnliches auch für Marie Lachners Start ins Leben. Dass
beide Mädchen bei Dr. Holler in Behandlung waren, war kein Zufall. Hollers
Job war es, sich mit solchen Kindern zu beschäftigen.
    Aber es musste keinen Zusammenhang zwischen dem
Verschwinden Maries, dem Selbstmordversuch Annikas und dem Mord an Holler
geben. Zumindest hatte er noch keinen brauchbaren gefunden.
    »Die beiden Mädchen, Annika und Marie, sind befreundet
geblieben«, versuchte Mayfeld erneut, einen Faden zu finden.
    Grewe nickte. »Mertens hat es mir erzählt. Meines
Wissens hat Christa Sandmann, die Oma von Marie, das gefördert. Sie meinte,
dieser Abschnitt ihres Lebens gehöre auch zu Marie. Annika hat die beiden oft
besucht, sie hat Maries Oma sehr gemocht. Als die alte Dame starb, war das auch
für sie ein schwerer Schlag. Die Lachners haben den Kontakt zwischen Marie und
Annika nach Kräften unterbunden. Aber jetzt habe ich genug erzählt.«
    Aber was genau hatte Grewe eigentlich erzählt? Mayfeld
hatte eine Vielzahl neuer Informationen erhalten, die ihn bei den Ermittlungen
allerdings nicht weiterbrachten. Es war lediglich klar, dass Grewe auf Mertens
nichts kommen ließ.
    Er stellte noch ein paar Fragen und bekam belanglose
Antworten. Missmutig verabschiedete er sich von dem Mitarbeiter des
Jugendamtes.
    ***
    Sie waren vom Krankenhaus runter in den Ort
gefahren. Nach langem Suchen hatten sie einen Laden mit Spielzeug für
Erwachsene gefunden. So nannte Mama die Handys. Die Königstochter hatte ihn
gefragt, ob er ihr das Geld für die beiden Ladegeräte, die sie kaufen wollte,
leihen könnte, und er hatte bezahlt. Schenk ich dir, hatte er gesagt.
    Aber wenn du mich lieb haben
willst, und ich soll dein Geselle und Spielkamerad sein …
    Basti hatte gewartet, bis Marie den Akku ihres Handys
aufgeladen hatte. Dann waren sie wieder zum Krankenhaus zurückgefahren, und
Marie hatte wieder nicht gewollt, dass er mit zu ihrer Freundin ins Krankenhaus
komme. Es würde immer nur eine Person zu Besuch hereingelassen, hatte sie
gesagt. So etwas hatte er noch nie gehört, aber mit Krankenhäusern kannte er
sich nicht aus. Vielleicht war das in Rüdesheim anders als in Wiesbaden, weil
das Krankenhaus kleiner war.
    Sie war nach kurzer Zeit wieder herausgekommen, und
jetzt waren sie auf dem Weg nach Hause.
    Nothgottes, Antoniuskapelle, Kloster Marienthal.
    Es war alles wie am Morgen, nur die Sonne stand
anders. Er fuhr diesen Weg oft, und er konnte sich alles gut merken, was er
sah. Er wusste sogar, wie der Weg das letzte Mal ausgesehen hatte, als er ihn
entlanggefahren war, und wie das vorletzte Mal. Und das vorvorletzte Mal. Und
letztes Jahr.
    »Du bist ein Gedächtnisgenie«, hatte Mama mal gesagt,
»aber leider nutzt es dir nichts.«
    Dabei stimmte es gar nicht, dass es ihm nichts nutzte.
Er konnte die Rezepte auswendig und die Märchen und das Vogelbuch. Vielleicht
sollte er alle Rechnungen auswendig lernen, die es gab, dann könnte er auch
rechnen. In der Schule hatte er das versucht, aber dann hatte er nie gewusst, welche
auswendig gelernte Rechnung er gerade hätte aufschreiben sollen. Beim
Führerschein war es einfacher gewesen. An die Fragen und die Antworten konnte
er sich heute immer noch genau erinnern.
    »Meine Freundin braucht eine Bleibe, wo sie für eine
Weile unterkommen kann«, rief Marie von hinten.
    »Hat sie kein Zuhause?«, rief Basti zurück.
    »Nein«, antwortete Marie.
    »Das ist schlecht«, meinte Basti.
    Aber vielleicht war das gar nicht so schlecht.
Vielleicht bekam er ja eine Sammlung von Mädchen. Bloß, wo sollte er die alle
unterbringen? Und wie sollte er auf alle aufpassen? Nachher liefen sie ihm
zusammen davon. Zu viele Mädchen auf einmal waren nicht gut.
    Sie fuhren durch den Höllenweg und das Mühlental. Das
war besonders schön, weil sich Marie dort extra fest an ihn klammerte.
Wahrscheinlich hatte sie das Tal genauso gern wie er.
    »Fahr schneller!«, rief sie, und er fuhr schneller.
    Reußische Mühle, Ostermühle, Bachmühle, Weihermühle,
Elstermühle, rief er die Wegstationen aus.
    »Kannst du mir vielleicht ein bisschen Kohle leihen?«,
rief Marie, als sie das Tal verlassen hatten.
    Der Köhler machte große Augen, ließ
sich aber nicht lange bitten.
    Basti lachte. »Ich bin kein Köhler.«
    »Ich meine Flocken!«
    »Von Frau Holle?«
    »Egal, von wem.«
    Marie lachte, er lachte auch, obwohl er nicht

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