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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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überstanden, und ich habe nicht vor, bei meiner Tochter alte Wunden aufzureißen. Sie hat eine neue Mama, mit der sie sehr zufrieden ist. Die neue Mama liebt sie nämlich. Wenn noch irgendetwas zu klären ist, deine Anwältin kann sich an meinen Anwalt wenden.«
    »Ich liebe sie auch.«
    »Ach was! Das hätte ich nie im Leben vermutet. Und nun geh bitte. In das Haus jedenfalls kommst du nicht, und Cordula wirst du auch nicht sehen. Und falls diese hässliche Puppe für Cordula sein soll, nimm sie wieder mit. Puppen hat das Kind mehr als genug, und sehr schöne.«
    Er drehte sich um, ging zu seinem Wagen und verschloss ihn. Dann lief er an mir vorbei, die Haustür öffnete sich, und er verschwand. Ich ging zur Straßenbahnhaltestellezurück, an der Straßenecke blieb ich stehen und beobachtete minutenlang das Haus, aber es war nichts zu sehen, keine Bewegung an der Tür, kein Gesicht an einem der Fenster und schon gar nicht Cordula. In der Straßenbahn kam ein kleines Mädchen vom gegenüberliegenden Sitz zu mir gelaufen, um sich die Puppe anzusehen. Als die Bahn auf den Bahnhofsvorplatz einbog, stand ich auf und drückte dem Mädchen das missglückte Weihnachtsgeschenk in die Arme. Dann stieg ich rasch aus, ich hörte, wie die Mutter des Kindes protestierte, aber ich wandte mich nicht mehr um.
11.
    Die Tür öffnete sich und eine Frauenstimme sagte: »Frau Plasterer, bitte!«
    Eine blondierte Frau erschien im Türrahmen, schaute auf das Mädchen, das auf einem der Stühle im Flur saß, und sagte überrascht: »Ach, du bist das. Komm bitte rein.«
    Das Mädchen stand auf, blieb vor dem Stuhl stehen und sagte trotzig: »Ich will zu Doktor Reddach. Ich habe bei Doktor Reddach einen Termin.«
    »Der ist nicht da. Der Psychiater hat in seinem Krankenhaus Dienst. Und du kommst zu mir, so habe ich es mit Doktor Reddach abgemacht.«
    »Ich kenne Sie nicht, ich habe Sie hier nie gesehen. Ich will nur mit Doktor Reddach sprechen. Oder ich gehe wieder. Ich muss hier nicht herkommen«, fauchte Paula.
    »Nun komm erst mal rein, Mädchen. Ich bin Luise Junghans, ich bin die Sozialarbeiterin. Wir beide haben uns noch nicht gesehen, weil ich meistens außer Haus zu tun habe. Nimm bitte Platz.«
    »Ich will nicht mit Ihnen sprechen. Wenn Herr Doktor Reddach keine Zeit hat, dann gehe ich wieder. Ich bin schließlich freiwillig hier.«
    »Natürlich bist du freiwillig hier. Und wenn du gehen willst, wird dich keiner aufhalten. Alles, was ich von dir will: ich möchte dir helfen. Ich darf dich duzen?«
    »Das ist mir egal.«
    »Dann duze ich dich. Und du kannst mich auch duzen, ich heiße Luise. Ich finde, es redet sich dann besser.«
    Luise Junghans war eine rundliche, mütterlich wirkende Person. Sie setzte sich an den Clubtisch vor ihrem Schreibtisch und wies mit einer einladenden Handbewegung auf den zweiten Sessel. Paula setzte sich zögernd und misstrauisch.
    »Möchtest du etwas trinken? Ich kann dir Cola oder Selterswasser anbieten.«
    Paula schüttelte den Kopf.
    »Und eine Zigarette? Aber du erlaubst, dass ich rauche, ja?«
    »Ich weiß überhaupt nicht, was ich hier soll.«
    »Wir wollen dir helfen, das ist alles.«
    »Ich brauche Ihre Hilfe nicht.«
    »Doch, Paula, du brauchst Hilfe. Sonst wäre das nicht passiert. Wenn ein Mensch so weit geht, wie du gegangen bist, dann braucht er Hilfe, sogar dringend. Und nur zu diesem Zweck gibt es unseren Beratungsdienst. Doktor Reddach und Herr Hähnel und ich sind für dich da. Sag, wie wir dir helfen können.«
    »Es geht mir gut. Ich brauche keine Hilfe. Ich habe keinerlei Probleme.«
    »Paula, was du gemacht hast, das war ein Hilfeschrei. Wir wollen dir helfen, aber lass dir bitte auch helfen.«
    »Ich brauche keine Hilfe. Und ich gehe nie wieder in ein Heim. Nie wieder.«
    »Das musst du auch nicht. Dass man dich vor zwei Jahren in ein Heim gesteckt hat, halte ich für einen dummen Fehler. Solche Heime sind nichts für dich, schließlich bist du kein Waisenkind, und du bist auch nicht schwer erziehbar. Du hast große Probleme, unlösbar für dich allein, und da möchten wir dir gern helfen.«
    »Wissen Sie, was mein Problem ist? Dass mir immerzu alle helfen wollen. Das nervt, aber wirklich.«
    »In ein Heim willst du nicht, einverstanden. Und zu Hause, wie geht es da? Kommst du mit deinen Eltern zurecht?«
    »Kein Problem.«
    »Wirklich nicht?«
    »In einem halben Jahr ziehe ich sowieso aus. Ich gehe zur Schwesternschule nach Leipzig. Ich lerne Krankenschwester.«
    »Wunderbar.

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