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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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diese Art und wahrscheinlich für immer verlieren.«
    »Nicht meine Schuld, nicht deine Schuld«, erwiderte er, »du musst uns zu den Kriegsopfern rechnen. Auch der Kalte Krieg hat seine Verwundeten und seine Vermissten und Leichen.«
    »Ich will aber an diesem Krieg nicht teilnehmen. Es ist nicht mein Krieg, und ich bin keine Kämpferin, war ich nie. Politisch zu indifferent, das stand schon in meinem Schulzeugnis, und dabei würde ich es eigentlich gern belassen. Ich möchte nur meine Bilder malen, mehr nicht. Und meine Freunde nicht verlieren.«
    »Indifferent, ich weiß, ich hörte davon. Du sollst dich ja auf diese Art durch das ganze Studium geschummelt haben. Das war jedenfalls klüger, als ich es angestellt habe. Ich stand zweimal kurz vor der Exmatrikulation, einmal zweier Zeichnungen wegen und einmal wegen eines Referats. Da hatte ich doch den Weltfrieden gefährdet, und gleich zweimal! Mein Gott, was für Zeiten und was für Kindereien! Und diesen ganzen Quatsch lasse ich jetzt hinter mir. Ich wünsche dir Glück, meine Schöne. Irgendwann wird ein Bild von dir im Prado hängen, das weiß ich.«
    »Und ich hoffte, im Louvre.«
    »Das geht leider nicht. Den Louvre habe ich für mich reservieren lassen. Hasta mañana, Paula, in Barcelona!«
15.
    Jan erschien nur noch selten bei mir. In den ersten Monaten unserer Bekanntschaft gab es kaum einen Tag, an dem er sich nicht auf irgendeine Weise bei mir meldete, mit einem überraschenden Besuch, mit einem Anruf, mit einer einzelnen Blume an der Türklinke oder einem Zettel im Briefkasten, doch nun verging manchmal eine ganze Woche, ohne dass er bei mir auftauchte oder auch nur anrief. Vielleicht hatte er eine andere Herzensdame gefunden und begriffen, dass wir zwei nicht zusammengehören, dass wir in zu verschiedenen Welten lebten, dass er sich bei mir keine Hoffnungen machen konnte. Wenn er mich jetzt anrief, ging es stets um eine Einladung zu einem Treffen mit Kollegen und Freunden, zumeist Schauspielern. Da ich kaum ins Kino und noch seltener ins Theater ging, hatte ich sie nie in ihren Rollen gesehen, aber sie waren offenbar alle berühmt und bekannt, und sie genossen es weidlich, erkannt zu werden. Es war für mich überraschend, wie ungemein wichtig es für Jan und seine Freunde war, dass man ihre Anwesenheit bemerkte. Aufmerksam registrierten sie, ob sich die Leute nach ihnen umwandten, wie sie wahrgenommen wurden, wer von ihnen das meiste Aufsehen erregte. Autogrammwünsche wurden mit genussvollem Stöhnen erfüllt, kokett gab man sich belästigt, ließ sich huldvoll herab, als gewähre man eine Gnade. Einmal war ich sogar Zeuge bei einem kleinen Streit zwischen ihnen, als eine Runde von Frauen an einem Nachbartisch einen der Schauspieler wiedererkannte und aufgeregtüber ihn schnatterte. Jan und seine Freunde hatten es bemerkt und sprachen darüber, wem die Aufmerksamkeit der Frauen galt. Jan erwähnte seine kürzliche Kinopremiere, andere sprachen von Fernsehfilmen, in denen sie unlängst zu sehen waren, fast jeder konnte einen Grund angeben, weshalb die Frauen seinetwegen uns fortgesetzt beobachteten und sich offensichtlich über einen von uns unterhielten. Der kleine Streit verlief witzig, man scherzte, stichelte, verteilte liebenswürdige Bosheiten, aber bei aller Ausgelassenheit war nicht zu übersehen, dass man tatsächlich ernsthaft darüber debattierte, wem das Interesse der älteren Damen galt, als hinge irgendetwas davon ab. Sie waren Kinder geblieben, die Glücklichen. Vielleicht lag es an ihrem Beruf, dem Spielen, dass sie das Kindliche nicht verloren hatten. Es war ein wenig lächerlich, aber mich amüsierte es, und während sie sich freundschaftlich und bissig kabbelten, schüttete ich mich aus vor Lachen.
    Ich weiß nicht, wieso Jan sich noch immer bei mir meldete, ich hatte erwartet, er würde unsere Beziehung, unsere nicht zustande gekommene Beziehung, beenden oder einschlafen lassen, aber mit einer merkwürdig altmodischen Verlässlichkeit erschien er wieder oder rief an. Wenn er an der Wohnungstür klingelte, hatte er stets etwas für mich dabei, ein drolliges Kinderspielzeug, eine Zeitschrift mit einem Artikel, der mich interessieren könnte, oder eine Geschmacklosigkeit vom Flohmarkt. Einmal war es lediglich ein einzelner, eingewickelter Stein aus der Ostsee, den er mir wie die größte Kostbarkeit überreichte. Er war mein galanter Kavalier geworden. Er bedrängte mich nicht, er schien sich damit zufriedengegeben zu haben, mein

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