Frau Paula Trousseau
Mann, den ich sehr schätze. Ich kenne ihn gut, ich bin mit ihm befreundet. Vielleicht sollten wir ihn fragen, ob er Ihre Ausstellung eröffnen könnte? Wenn wir Ihre Vernissage mit einer kleinen Rede von Waldschmidt beginnen, dann erscheint nicht nur die Lokalpresse. Was halten Sie davon? Wollen Sie ihn fragen? Oder soll ich das übernehmen?«
»Ich weiß nicht. Ich überlege es mir und gebe Ihnen Bescheid. Einverstanden?«
»Wie Sie wollen. Es ist ja nur ein Versuch. Ob er nach Altenburg kommt, ist mehr als fraglich. Aber einen Redner brauchen wir in jedem Fall. Also, wenn es nicht Waldschmidt ist, vielleicht haben Sie einen Vorschlag.«
Ich folgte ihr in die Galerieräume, anschließend setzten wir uns in ihr Büro, und nachdem alles abgesprochen war, lud ich Frau Mebus zum Essen ein. Sie schaute mich überrascht an und fragte: »Können Sie sich denn das leisten?«
»Nein«, sagte ich freimütig, »aber ich bin so glücklich.«
»Das ist sehr freundlich, doch ich bin heute bereits verabredet. Und da wir gerade darüber reden, vergessen Sie nicht, mir Ihre Fahrkarte zu schicken. Wir haben zwar kaum Geld und müssen überall sparen, aber die Reisekosten können wir ersetzen.«
Als wir uns verabschiedeten, sagte sie, dass sie mich bei ihrem nächsten Berlinaufenthalt aufsuchen werde, um weitere Arbeiten anzuschauen.
»Ihre erste Ausstellung muss ein Erfolg werden, Frau Trousseau. Und Erfolge kann man machen oderzumindest fördern. Oder auch verhindern, und dann grandios und glanzvoll untergehen. Vertrauen Sie mir und lassen Sie sich beraten. Wissen Sie, die Auswahl ist das Entscheidende. Ihre Kunst muss groß präsentiert werden, aber auch pädagogisch geschickt und politisch klug. Ich habe da einige Erfahrungen gemacht, auch sehr schmerzliche, ich weiß, wovon ich rede. Wenn ich von Ihren vorgelegten Arbeiten ausgehe, so werden wir mit Ihnen politisch wohl keine Schwierigkeiten bekommen. Oder haben Sie bei den anderen Arbeiten irgendwelche Botschaften, die Sie unbedingt an die Öffentlichkeit bringen wollen?«
»Ich verstehe Sie nicht. Was für Botschaften?«
»Wenn Sie das nicht verstehen, dann ist alles gut. Die reine Kunst, das liebe ich. Ich möchte nicht noch einmal erleben, dass eine Ausstellung am Morgen nach der Eröffnung geschlossen wird. Übrigens, sehr früh am Morgen, die Herren klingelten um sechs Uhr bei mir. Der Künstler verschwand sechs Wochen später in den Westen, er konnte mit all seinen Arbeiten ausreisen, der Herr schrieb mir nicht einmal einen Brief, und ich wurde strafversetzt. Ich wollte nur sagen, ich bin ein gebranntes Kind, ich darf mir weniger erlauben als jene Kollegen, die noch keine Sünden abzubüßen haben.«
»Ich denke, Sie haben bei mir nichts zu befürchten. Ich will eigentlich nur meine Landschaften malen.«
»Das ist schön. Wunderbar. Und sie verkaufen sich auch besser. Ich habe mich gefreut, Sie kennenzulernen, Frau Trousseau.«
Auf der Heimfahrt musste ich mich eines angetrunkenen Mitreisenden erwehren, der unbedingt einen Blick auf die Arbeiten in meiner Mappe werfen wollte, weshalb ich den Waggon wechselte. Aber selbst diese Belästigung störte nicht im Geringsten meine gute Laune, ich war in Hochstimmung und dankte meinem Schöpfer für diesenTag und die Begegnung mit Stephanie Mebus. Mir war klar, dass eine Ausstellung, selbst wenn es eine Einzelausstellung ist, keineswegs die Garantie für einen Durchbruch war, aber ich bekam einen kleinen Katalog und hatte für alle Zeiten etwas zum Vorweisen, und vielleicht wurden Bilder angekauft, auf jeden Fall würden andere Galerieleiter auf mich aufmerksam.
Zudem hatte ich unverschämtes Glück, da ich Ferdinand Schmollmer über den grünen Klee lobte, ohne zu wissen, dass er und Stephanie Mebus ein Paar waren. Und dass ich ausgerechnet meinem Freddy Waldschmidt die entscheidende Empfehlung zu verdanken hatte, darüber musste ich herzlich lachen. Es wird gewiss schon lange, lange her gewesen sein, dass er freundlich über mich redete, heute wird er den Teufel tun und eine Eröffnungsrede halten.
14.
Einen Monat später begegnete ich Fred Waldschmidt zufällig, ich traf ihn und Sibylle mit ihrem Pariani bei einem Atelierfest von Jorge Baumann. Jorge kannte ich noch von der Hochschule, er war ein uneheliches Kind und behauptete, sein Vater sei ein spanischer Republikaner, der beim Ende des Bürgerkriegs nach Mexiko geflohen und dort angeblich zum wichtigsten Mitarbeiter von Alfaro Siqueiros geworden sei. Jorge
Weitere Kostenlose Bücher