Frau Paula Trousseau
zusammen gewesen war, er hatte mich nicht gefragt, weil er seine Tochter nur den für ihn wichtigen Leuten präsentieren wollte, und ich hatte nicht vor, ihnen meine Brust zu zeigen. Ich ertrug an diesem Abend brav ihre Bemerkungen über Cordula und mich, und ich lächelte. Er hätte in seiner Kneipe eine Party geben sollen, er hätte ihnen Fotos von seiner Tochter zeigen und sich dann mit ihnen über das unterhalten können, was ihn eigentlich interessierte. Nachdem ich die Kleine gestillt hatte, bliebich noch eine halbe Stunde neben ihrem Bett stehen und sah ihr beim Einschlafen zu.
Als ich in das Wohnzimmer zurückkam, konnte ich mich unbehelligt in einen Sessel setzen. Ich trank einen gespritzten Wein und betrachtete Hans und seine Gäste. Wieso hatte ich ihn geheiratet? Weil ich von daheim fliehen wollte? Weil ich aus dem Heim der Schwesternschülerinnen herauswollte? Weil mich sein Geld und sein luxuriöser Lebensstil gereizt hatten? Weil ich nichts Besseres gefunden hatte und nicht glaubte, etwas Besseres zu finden? Weil er dreizehn Jahre älter war und ich einen älteren Mann suchte, weil ich einen Vaterersatz brauchte? Weil ich leichtsinnig war? Ich wusste es nicht. Er sah gut aus, inmitten seiner gleichaltrigen Freunde und Geschäftspartner wirkte er lebendiger und attraktiver als sie. Er schlief am liebsten jeden zweiten Tag mit mir, während ich nur wenig Sehnsucht nach körperlichen Berührungen mit ihm hatte und sie eher erduldete. Wahrscheinlich war er wirklich ein vollkommener Mann und ich würde keinen besseren finden, niemals, aber er war kein Mann, nach dem ich mich vor Sehnsucht verzehrte, so wie es in den Frauenbüchern passierte oder wie ich es im Kino sehen konnte.
Am nächsten Tag sagte ich ihm, ich müsse langsam meine Sachen für Berlin packen, und fragte, ob er Cordula und mich fahren könne oder ob wir den Zug nehmen sollten. Ich war wie jeden Tag früh aufgestanden, hatte Cordula gewickelt und gestillt, dann für Hans das Frühstück gemacht, ihn geweckt und saß nun, während er seinen Kaffee trank, mit dem Kind an dem großen Küchentisch. Ich spielte mit der Kleinen und sah sie an, als ich ihn fragte. Da er nicht antwortete, schaute ich zu ihm. Er hielt den Kopf in beide Hände gestützt und hatte die Augen geschlossen.
»Bitte nicht«, sagte er, »fahr bitte nicht weg.«
»Aber ich muss. Ich habe schon so viel versäumt, ich muss so schnell wie möglich nach Berlin.«
»Und Cordula? Du kannst sie doch in Berlin gar nicht versorgen.«
»Mach dir keine Sorgen, Hans. Ihr wird nichts fehlen, gar nichts.«
»Das ist keine Ehe, was wir führen, Paula. Ich habe eine Tochter, und ich sehe sie nicht. Ich habe eine Frau, die irgendwo ist, nur nicht bei mir. Das halte ich nicht aus. Ich will, dass du mit dem Kind bei mir bleibst. Ich bitte dich, Paula, bleib hier.«
Er hielt die Augen noch immer geschlossen und den Kopf in die Hände gestützt. Ich sollte aus Mitleid bei ihm bleiben, sagte dieses Bild des Jammers. Wir waren nun schon so lange zusammen, und er ahnte nicht einmal, wie sehr ich Männer verachte, für die man Mitleid aufbringen muss. Er hatte die einzige Karte gezogen, mit der man bei mir nicht den kleinsten Stich machen und die mich nur in der Absicht bestärken konnte, so schnell wie möglich abzureisen.
»Dann komm mit nach Berlin«, sagte ich und streichelte das Baby.
Plötzlich flog eine Kaffeetasse durch die Luft und zerschellte an den Küchenfliesen. Ich erschrak und die Kleine zuckte in meinem Arm, ich spürte eine winzige Bewegung ihres Körpers. Sie öffnete die Augen und den Mund und begann zu schreien. Ich stand auf und ging mit ihr ins Kinderzimmer, um sie zu beruhigen. Zehn Minuten später hörte ich, wie die Wohnungstür zugeknallt wurde und sein Auto startete.
Am Abend redete er kein Wort mit mir. Irgendwann ging er für eine halbe Stunde in unser Schlafzimmer, wo Cordulas Bett stand. Ich fragte mich zwar, was er dort tat,aber es interessierte mich nicht. Als er wieder ins Wohnzimmer zurückkam, schien es mir, als hätte er geweint. Eine Stunde später trug ich meine Bettsachen aus dem Schlafzimmer in mein Zimmer und schob dann vorsichtig das Babybettchen über die Türschwellen, auch dazu sagte er nichts.
Am nächsten Tag erkundigte ich mich noch einmal, ob er uns fahren würde oder wir den Zug nehmen müssen.
»Ich fahre euch natürlich«, sagte er, »wenn ich es irgendwie einrichten kann. Wann willst du los?«
»Morgen«, sagte ich.
»Das geht
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