Frau Paula Trousseau
überreiche sie mir ein Geschenk, und sagte etwas, was ich nicht hörte. Ich spürte das kleine Wesen auf meiner Brust, ich legte eine Hand darauf, um es zu bedecken und um es zu spüren. Das ist nun deine Tochter, sagte ich zu mir, nun hast du endlich ein Kind, einen Partner. Die Schwester steckte mir ein Kissen unter den Kopf, damit ich das Baby besser betrachten konnte. Cordula hatte eine breite Stupsnase, und auf der Stirn waren zwei dunkelrote Flecken, die wohl bei der Geburt entstanden waren. Ihre Haut war zartrosa, und die kleinen Beine und Arme hielt sie dicht am Körper. Ihr war offensichtlich kalt, und ich legte auch meine andere Hand auf sie. Das ist dein Kind, sagte ich immer wieder zu mir, aber ich fühlte nichts, ich spürte keinerlei Zuneigung oder Liebe für dieses kleine, schmächtige Ding, das nun auf mir lag und meine Tochter war. Die Beziehung zu dem Baby in meinem Bauch war zerbrochen. Mit meinem Kugelbauch hatte ich mich bestens verstanden, wir hatten über alles miteinander gesprochen, es gab keine Geheimnisse zwischen uns und nichts, worüber wir beide uns nicht verständigt haben. Wenn ich zu Hans gefahren oder er zu mir nach Berlin gekommen war, dann hatten wir uns hinterher verständigt und uns sogar zusammen über ihn lustig gemacht. Als das Baby noch in meinem Bauch steckte, da war es mein Freund und Partner, aber das winzige Bündel, das nun auf mirlag, das war nicht mehr mein vertrauter Gesprächsfreund, das war nicht mehr der Mensch, der mir am nächsten war, das war nur noch seine Tochter, die ich für ihn auf die Welt gebracht hatte.
Die Schwester sprach mich an und fragte, ob mir etwas fehle, ob ich Schmerzen hätte. Ich schüttelte den Kopf.
»Aber Sie freuen sich ja gar nicht, Frau Trousseau«, sagte sie, »ich will Ihre leuchtenden Augen sehen. Haben wir nicht ein wunderschönes Mädchen geholt? Sie müssten doch vor Glück aus dem Bett fallen.«
»Ja«, erwiderte ich und schloss die Augen.
Hans erschien am Abend im Krankenhaus. Er war sehr glücklich, als ich mit ihm den Flur entlang zur großen Fensterscheibe des Babyzimmers ging. Selbst bei der Mitteilung, dass ich keinen Sohn, sondern eine Cordula geboren habe, schien er nicht enttäuscht zu sein. Eine Schwester nahm unser Baby aus dem Bettchen und kam an die Glasscheibe, um uns das Kind zu zeigen. Die Kleine hatte die Augen geschlossen und kratzte mit den Fingern der rechten Hand fortwährend über Nase und Mund.
»Cordula hat Hunger«, sagte Hans. Er winkte dem Baby zu. Die Schwester hielt das eingewickelte Kind geduldig vor dem Fenster hoch, dann nickte sie und brachte es ins Bett zurück. Ich schlurfte in mein Zimmer, Hans stützte mich und redete auf mich ein.
»Was haben wir für ein schönes Kind! War es sehr schlimm? In vier Tagen kann ich euch abholen. Ich werde mir vierzehn Tage Urlaub nehmen, um dir in der ersten Zeit zu helfen. Und eine Party sollten wir geben, eine große Party für Cordula. Ich lasse uns das gesamte Menü liefern, und die beiden Mädchen aus meiner Firma werden servieren und den Dreck wegräumen. Also keine zusätzliche Belastung für dich, Paula. Du verstehst, ich will meine Tochter vorstellen, ich will sie meinen Freundenzeigen, unseren Freunden. Aber darüber können wir später reden, jetzt musst du erst einmal wieder auf die Beine kommen, meine Kleine. Und das Wichtigste ist ohnehin Cordula. Ich hole euch ab, und dann werdet ihr bei mir von vorn und hinten umsorgt. Wenn du willst, nehmen wir eine Frau fürs Haus, damit du ganz für unser Baby da bist. Zwei Jahre wirst du in Leipzig bleiben, und dann werden wir das mit dem Studium für dich regeln. Es ist jetzt nur eine Unterbrechung. Du willst das Studium und solltest es auch zu Ende bringen. Es wird sich alles finden.«
»Ich bin müde, Hans«, erwiderte ich, »ich will schlafen.«
»Natürlich, du musst dich ausruhen.«
Er lächelte mich an, ein stolzer Papa, und streichelte mir den Arm. Du meinst, mein Studium kann warten, aber da irrst du dich, dachte ich. Das Baby kann ich in die Schule mitnehmen, das hat mir Tschäkel angeboten. Ich kann es dort stillen, und es kann dort schlafen, und irgendeine Kommilitonin wird sich schon finden, die es mal für eine Stunde übernimmt. Also, falls du dir mit deiner Party zu viel Zeit lässt, ist dein Baby möglicherweise bereits wieder in Berlin, wenn deine Freunde antanzen. Denn alles kann bei mir nicht warten, das verspreche ich dir hoch und feierlich, mein Lieber.
»Du siehst richtig
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