Frau Paula Trousseau
Skizzen und ein Foto angeheftet, die in den drei Wochen, die er an dem Bild arbeitete, mit Farbspritzern übersät worden waren.
»Es ist zu fertig«, sagte er, »ich komme nicht mehr in das Bild rein, doch es ist nicht das, was ich will. Ich war zu schnell. Ich hätte mir anfangs mehr Zeit lassen müssen.«
»Es ist alles sehr klar. Sehr deutlich«, sagte ich.
»Ja, genau, das ist der Fehler. Und ich weiß nicht, ob das zu reparieren ist.«
Als Waldschmidt zu uns sah, legte ich meinen Kopf auf Veits Schulter, strich langsam mit zwei Fingern über seine Brust und tat, als ob ich in ihn verliebt sei. Veit war ganz verwirrt, als ich den Kopf wegnahm und ihn anstrahlte. Er lebte mit Doris zusammen, einer Studentin der Keramik aus dem zweiten Studienjahr, die in knöchellangen Baumwollröcken herumlief und bei uns den Spitznamen das Pfarrerstöchterlein bekommen hatte. Veit war ein netter Kerl von der Ostseeküste. Mit einem Mann wie ihm könnte ich nicht eine Woche zusammenleben, bei ihm war alles geordnet, er konnte zwischen Wichtigem und Unwichtigem trennen, er hatte so etwas wie einen Lebensfahrplan. Ich war mir sicher, dass er jederzeit Auskunft darüber geben könnte, was er in zwei Jahren, in fünf Jahren, in zehn Jahren machen würde. Und das für mich Gruseligste an dieser Vorstellung war die Gewissheit, er würde es ganz genau so auch erreichen. Ich verstand überhaupt nicht, wieso er Maler werden wollte, bei ihm war alles so korrekt, dass er nicht einmal ahnte, was eine das Leben verstörende Irritation sein konnte.
Vielleicht war mein Spielchen, das ich nur wegen Waldschmidt aufführte und bei dem er mir lediglich als Komparse diente, das verwirrendste Erlebnis des Jahres für ihn. In den folgenden Wochen versuchte er mehrmals, sich mit mir zu verabreden. Irgendwann traf er mich in einem Café in der Nähe meiner Wohnung, in dem ich manchmal Tee trank. Er kam an meinen Tisch und sagte, er müsse mit mir reden. Er behauptete, mich zu lieben, seit er mich zum ersten Mal gesehen habe, und redete dann unentwegt von seinen Gefühlen. Das bisschen Achtung, das ich noch für ihn aufbringen konnte, schwand in diesem Caféendgültig. Irgendwann war er mit seiner Litanei fertig und bat mich dann mehrmals, ihm zu antworten.
»Da gibt es nichts zu sagen«, erwiderte ich und bemühte mich, nicht zu lächeln, weil ich dann losgelacht hätte. Ich sah ihn starr an und dachte mir, was bist du nur für ein Idiot, mein Junge. Er sagte ganz erschreckt und wehleidig: »Bitte, Paula! Du bist zu mir gekommen, du warst es, die mich angelächelt hat, die mich gestreichelt hat. Da kannst du jetzt nicht einfach sagen, dass dich alles nichts angeht. Ich liebe dich, Paula, und daran bist du schuld.«
»Schuld? Was meinst du damit? Ich fühle mich jedenfalls völlig schuldlos. Du hast dich verliebt, aber das geht nur dich etwas an, es ist etwas, was nur du empfindest. Was ich empfinde, das hat mit mir zu tun, und da bist du nicht dabei.«
»Und dass ich dich liebe, das bedeutet dir nichts?«
»So ist es. Genau so.«
»Du bist eiskalt, wie?«
»Nein. Ich glaube nur nicht mehr an diese schönen, angenehmen Lügen, das ist alles. Es ist ein Geschäft mit einigen Vorteilen und vielen Nachteilen für alle. Und ich habe beschlossen, nie wieder unter einer Liebe zu leiden. So ist das.«
»Und warum kamst du zu mir, Paula? Warum hast du das getan?«
»Was habe ich denn getan? Dir ging es schlecht, du warst mit deinem Bild nicht zufrieden, und ich habe versucht, dich etwas aufzumuntern. Mehr war da nicht. Der Rest hat sich in deinem Kopf abgespielt, damit hatte und habe ich nichts zu tun.«
»Du bist wirklich eiskalt, Paula. Und du legst dir alles so zurecht, dass es für dich passt. Du würdest bedenkenlos über Leichen gehen, nicht wahr? Hauptsache, Paula kommt zurecht.«
»Rede nicht so einen Unsinn, Veit. Du hast dich in mich verliebt, aber das ist deine Sache. Du hast irgendetwas gründlich missverstanden, weil du mich missverstehen wolltest. Du hast dir eingebildet, dass ich etwas für dich empfinde, weil ich einen Moment lang freundlich zu dir war, und da ich nicht tue, was du dir vorstellst, beschimpfst du mich. Das scheint ja wirklich eine große Liebe zu sein. Was erwartest du denn von mir? Du glaubst mich zu lieben, und schon stellst du Forderungen. Dafür bin ich wirklich die falsche Adresse.«
Er sagte kein Wort mehr, sah mich wütend an und verließ das Café, ohne sich nach mir umzusehen. Den Kaffee, den er getrunken
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