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Frau Prinz pfeift nicht mehr

Titel: Frau Prinz pfeift nicht mehr
Autoren: A Scheib
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     ihr gewesen. Die Aussiedler – warum betrog er sie, bereicherte sich an dem Geld, das sie mit mühseliger Arbeit wie dem Schleppen
     von Obst und Gemüse verdienten? Was konnte er dafür? Notfalls mußte er eben betrügen, um das festzuhalten, was seine Existenz
     ausmachte. Die Feste, die er im »Fraunhofer« gab. Der BMW, den er in Raten abzahlte. Seine Klamotten, die er bei angesagten
     Designern wie Dolce & Gabbana kaufte. Nur so, wußte Berthold Papke, konnte er sich behaupten, konnte er mithalten
     mit den anderen, denen er gefallen wollte.
     
    Manchmal sehnte er sich nach den Zeiten, als er noch bescheidener gewesen war. Eine kleine Wohnung in Schwabing gehabt hatte.
     Wenn er abends aus seinem Supermarkt kam, der am Rotkreuzplatz lag, fuhr er mit der U-Bahn zur Münchner Freiheit, lief durch die Straßen Schwabings, das sein Zuhause war, mochten auch alle sagen, Schwabing |97| sei verkommen, versaut, banal. Ihm sollte es recht sein, wenn er nur weiterhin über das Katzenkopfpflaster latschen konnte,
     im diffusen Abendlicht zum Englischen Garten hinunter, träumend sich einrichtend in seiner Einsamkeit, aus der er von einem
     Mädchen erlöst werden wollte. Im Winter suchte er durch den Nebel in die seltsam verschwommenen Gesichter der anderen Spaziergänger
     zu sehen, sich ein wenig zugehörig zu fühlen, er war selig, wenn er ein Gesicht kannte, grüßte und zurückgegrüßt wurde.
     
    Im Sommer war es ohnehin leicht. Da ging er zum Chinesischen Turm, wo seine Spezln ihren Tisch hatten, einmal hatte der Oberbürgermeister
     Christian Ude bei ihnen gesessen, weil ihre gute Stimmung ihn aufmerksam gemacht hatte. So einen wie den Ude konnte Berthold
     bewundern, beneiden. Der hatte was drauf, war ein Sozi, aber kein verdruckster, trockener, sondern ein Mann mit Ausstrahlung,
     irgendwie nobel war der. Wie er da saß, braungebrannt, gute Zähne, gute Haare, mit dem konnten |98| sich die Münchner überall sehen lassen. Und lachen konnte der, auch über eine Bemerkung Bertholds hatte er schallend gelacht.
     Berthold hielt sich grundsätzlich nicht für witzig, jedoch, wenn andere Nonsens erzählten, ihm sozusagen einen Boden bereiteten,
     konnte auch er mal Bemerkungen einwerfen, die seine Tischgenossen amüsierten. Berthold hoffte nur, daß niemand drauf kam,
     wie langweilig er war. Hörte er sich plötzlich auf einen Blödsinn kontern, kam es ihm vor, als habe er sich alles nur geliehen,
     als spreche ein anderer aus ihm. Er fühlte sich als Hochstapler, aber er genoß es trotzdem.
     
    Als er mit dem Betrügen angefangen hatte, bekam er oft Gewissensbisse, weil er das Geld anderer unterschlug. Angst auch. Doch
     er mußte weitermachen. Es blieb ihm schließlich nichts anderes übrig. Sein Leben in den Kneipen kostete viel Geld, an manchen
     Abenden vertrank er einen Hunderter, weil er immer Leute einlud. Er wollte Freunde haben, Kumpels, und die fand er nur in
     den Kneipen.
     
    |99| Neu waren seine Träume von Drew Barrymore. Er hatte sie vor wenigen Tagen in einem Western gesehen, ›Bad Girls‹, ihr weicher,
     so verdammt ausdrucksvoller Mund ging ihm nicht aus dem Hirn. Wie die Kerle ihr an die Wäsche wollten, das hatte Berthold
     schwer mitgenommen. Schon in dem Film ›E.   T.‹, den er auf Kassette hatte, war die kleine Drew ihm nah gewesen, er hatte eine verrückte Sehnsucht nach solch einer kleinen
     Schwester gehabt, die so fair war, so mitfühlend, so witzig und dabei auch noch tapfer. Im richtigen Leben hatte Drew dann
     Drogen genommen, wahrscheinlich war sie mit dem Ruhm, den sie als Kind schon gehabt hatte, nicht fertig geworden. Was für
     ein Leben hatte Drew schon jetzt hinter sich! Berthold kam sich dagegen mickrig vor, langweilig bis dorthinaus. Und Cameron
     Diaz! Kaum älter als ein Schulmädchen, war sie schon Model geworden, war in der ganzen Welt herumgereist, völlig selbständig,
     hatte Millionen verdient. Berthold hatte sie in ›Verrückt nach Mary‹ gesehen, alle Typen waren auf sie abgefahren, das war
     ja ohnehin |100| klar – aber wie sie jeden etwas Besonderes sein ließ, den armen Säftel von Pizzafahrer, den Hochstapler Matt Dillon, die abgetakelte
     Tussi mit ihrer schäbigen Töle – und dann schmierte sie sich auch noch voller Unschuld das Sperma von dem Idioten ins Haar.
     O Cam! Einmal einen so strahlend offenen Blick von dir, so warm, so sexy – Berthold drehte sich fast der Magen um vor hoffnungsloser
     Sehnsucht.
     
    Die Türklingel hatte
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