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Frau Prinz pfeift nicht mehr

Titel: Frau Prinz pfeift nicht mehr
Autoren: A Scheib
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Berthold damals aus seinen Gedanken hochgeschreckt. Er war aus seinem Bad gestiegen und, eingehüllt in
     sein Badelaken, lustlos zur Tür gegangen. Er wollte keinen Besuch. Schon gar nicht Ingrid. Er hatte sie fast vergessen. Doch
     sie stand mit der Miene einer altgedienten Vertrauten unter der Tür, einen Picknickkorb in der Hand, und nickte Berthold kumpelhaft
     zu, der dumpf ahnte, daß diese Lässigkeit nicht ganz echt war. Das machte ihm die Situation nicht leichter, auch nicht die
     Tatsache, daß er sich nur verschwommen an Ingrid erinnerte und keinesfalls daran, daß sie so vierschrötig war, einen schmallippigen |101| Mund hatte, und ihre Augen schienen ihm ausdruckslos wie die von einem toten Fisch. Wieso mußte er sich mit dieser Ingrid
     herumschlagen, die offenbar nicht von seiner Schwelle weichen wollte? Berthold fühlte, wie seine nackten Füße kalt wurden.
     Das machte ihn wütend, ungerecht, mürrisch.
    »Was ist los – ich bin auf dem Sprung, ich will ausgehen. Ich hab noch nicht mal gefrühstückt.«
    »Das hab ich mir gedacht. Drum habe ich uns das Frühstück mitgebracht.«
    Uns? Wieso uns? dachte Berthold, doch Ingrid ging so resolut an ihm vorbei, daß ihn ihr breiter Hintern fast umwalzte. Mann,
     hat die einen Tortenarsch, konnte Berthold nur noch flüchtig feststellen, da breitete Ingrid auf der Küchentheke schon ein
     makelloses Tuch aus, das sie ebenfalls mitgebracht hatte. Die glaubte wohl, er hätte keine Tischtücher. Und überhaupt – frühstücken
     wollte er vielleicht im »Fraunhofer«, aber nicht hier mit dieser Ingrid. Doch es zeigte sich, daß er ihrer gußeisernen Entschlossenheit
     nichts entgegenzusetzen hatte.
    |102| Nach dem Frühstück unterwarf Ingrid seine beiden Zimmer einer peniblen Reinigungsprozedur und gleichzeitigen Inspektion. Berthold
     kapierte das durchaus, völlig blöde war er schließlich nicht. Er hockte auf dem Bett, ließ sie gewähren in einer Art ängstlicher
     Verwunderung, in die sich ein wenig Grauen mischte. Dann beschwichtigte er sein Mißtrauen. Was konnte sie ihm schon tun? Unter
     seinen verstörten Augen verwandelten sich seine beiden sanft verdreckten Zimmer in ein keimfreies Labor. Ingrid war mit einem
     großen Müllsack ausgerüstet, in den wanderten alle Dinge, die Berthold über die Wohnung zu verteilen pflegte, weil er nicht
     wissen konnte, ober sie noch einmal brauchen würde. Da gab es Flaschen und Gläser aller Sorten, Korken, die vielleicht für
     die Hälse halbleerer Flaschen gut wären, doch es gabbei Berthold keine halbleeren Flaschen, weil er alles ordentlich leer
     trank, und so widersprach er auch nicht, wenn Ingrid mit einem fröhlichen »Das brauchen wir doch nicht mehr, oder?« alte Zeitungen
     entsorgte, leer geschriebene Kugelschreiber, Schokoladennikoläuse |103| , Kunstrosen und Lebkuchen vom Oktoberfest. Er protestierte schwach, als sie Asterix und Obelix aus Kartoffeln, denen die
     Keime schon zwischen den Zöpfen herauswuchsen, auch in den Sack werfen wollte, doch dann gaber nach. Dabei hatte die sechsjährige
     Jelena, das Töchterchen der Hausmeisterin, ihm die Kunstwerke geschenkt. Jedesmal, wenn er künftig Jelena sah, schämte er
     sich und bekam Wut auf Ingrid.
    Als Ingrid schließlich noch seine schmutzige Bettwäsche und die Hemden in ihrem Korbverstaut hatte, zog sie sich wortlos aus,
     legte sich auf sein frischbezogenes Bett und starrte irgendwie schamvoll an die Decke. Das sah so bescheuert aus, daß sie
     Berthold leid tat. Nun wußte er, warum sie gekommen war, warum sie ihn zum Frühstück verdonnert und seine Wohnung geputzt
     hatte. Ingrid erwartete eine Wiederholung des Beischlafs von der letzten Nacht, und Berthold fragte sich, obsie darauf, nach
     ihren enormen Sachleistungen, nicht auch Anspruch hatte.
     
    |104| Wenn er später darüber nachdachte, wußte Berthold, daß er hätte nein sagen müssen, neinverdammtnochmal, ich will nicht! Notfalls
     hätte er Ingrid anschreien sollen: Ich will dich nicht, ich will meine Träume behalten, mein »Blue Nil«, wo dir das Essen
     nicht schmeckt, mein »Werkstattkino«, dessen Filme dir zu speziell sind. Ich will mein »Fraunhofer«, meine Spaziergänge durch
     Schwabing, auch wenn du es noch so abgetakelt findest, und nicht mit dir in den Nymphenburger Park, weil es da keinen Chinesischen
     Turm gibt, nur alte Tanten im stickigen Palmenhaus, von denen die widerwärtigste deine Stiefmutter ist   ...
     
    Diese Schwiegermutter. Sie übertraf
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