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Frau Prinz pfeift nicht mehr

Titel: Frau Prinz pfeift nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Scheib
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einer, der den anderen systematisch um seinen Schlaf bringt, sich nicht gerade beliebt macht, hatte Berthold
     schon recht bald Ingrid mitsamt ihrer strapaziösen Schwangerschaft satt. Er drehte sich einfach herum und schlief weiter,
     mochte Ingrid noch so anschaulich neben ihm die Leiden ihres Zustands demonstrieren. Fassunglos über die Gefühlskälte Bertholds,
     schrie Ingrid ihn schließlich an, daß es doch auch sein Kind sei, das ihr so zu schaffen mache.
    »Leider«, sagte Berthold ehrlich, und das blieb lange Zeit das letzte Wort zwischen den werdenden Eltern.
     
    Berthold wünschte sich inbrünstig, nicht Vater zu werden, und sein Kind zeigte Einsehen. Wahrscheinlich hatte es die nächtlichen |145| Diskussionen zwischen seinen Eltern bis in den Uterus hineinschwallen hören, und daher verzichtete es lieber auf dies Elternpaar.
     Wenn ihm als Embryo schon so viel zugemutet wurde, was sollte dann da draußen auf ihn warten? Den Vater hätte man sich vielleicht
     noch hinbiegen können, aber die Mutter! Und dann gab es noch diese Stiefmutter. Die pfiff und brüllte so laut, daß er es bis
     in seine schöne ruhige Uterushöhle hinein hörte. Bei der würden sie ihn vielleicht abstellen, wenn der Vater in sein »Werkstattkino«
     wollte und die Mutter zum Winterschlußverkauf. Bloß nicht. Er wollte weder Kind noch Stiefenkel im Hause Prinz-Papke werden.
    Als Ingrid nach einer Fehlgeburt Anfang des achten Monats aus der Klinik entlassen wurde, war sie davon überzeugt, daß die
     Welt ungerecht und sie in allem und immer benachteiligt worden sei. Warum hatte sie geheiratet, wenn sie doch kein Kind bekam?
     Keines mehr bekommen konnte. Alle Frauen um sie herum hatten Kinder, redeten unentwegt über diese Kinder, über ihr Sauberwerden,
     die ersten Zähne, ihre Schulnoten |146| , ihre Krankheiten, ihre Witze, die meistens nur blöde waren, und Ingrid fragte sich erbittert, warum sie sich in Zukunft
     diesen Mist anhören sollte, wenn sie keinen eigenen beizusteuern hätte. Im Schwabinger Krankenhaus waren viele Ausländerfrauen,
     vor allem Türkinnen, auf der Entbindungsstation gewesen. Als sie mitbekamen, daß Ingrids Baby nicht gelebt hatte, trösteten
     sie sie. »Du bald neue Baby, ganz dick, viele Kilo.«
    Die Ärzte sagten das Gegenteil, und Berthold murmelte auch etwas, was wie »mit mir nicht mehr« klang. Noch nie war Ingrid
     so ernüchtert gewesen. Die Romane, die sie kannte, die vom alles übersteigenden Mutterglück sprachen – scheiß drauf. Sie glaubte
     an nichts mehr. Ingrid ließ die Ehepaare ihres Bekanntenkreises vor ihr geistiges Auge hintreten, die Pfisters, die Blechschmitts,
     die Wallmanns – wer war denn von denen auch nur zufrieden, bitte schön? Man besuchte einander, um nicht in Langeweile zu ersterben,
     man lobte die rote Grütze und den butterweichen Tafelspitz, sprach über den Urlaub, über die teuren |147| Lebenshaltungskosten, sprach darüber, was man alles geleistet habe, leiste, und noch leisten werde im Gegensatz zu gewissen
     Schmarotzern, denen das Sozialamt alles in den Hintern schiebe, was die Einheimischen verdienten. Ingrids Freunde beneideten
     Ingrid von Herzen um das Haus in der teuren Gegend, nicht der alte Schuppen war was wert, aber der Grund, oho, der Grund in
     Nymphenburg, das kesselte. Heute pfiff Ingrid auch darauf. Wenn sie kein Kind hatte, sah sie nirgendwo mehr einen Sinn.
     
    Dann saß auch noch die Stiefmutter an ihrem Bett, zog den Schleim hoch aus den tiefsten Tiefen ihrer Lunge, damit konfrontierte
     Brunhilde Prinz ständig ihre Umgebung, offenbar hatte sie das in der feinen Familie gelernt, aus der sie kam. Ingrid war heute
     so krachend schlechter Laune, daß sie ihre Stiefmutter am liebsten aus dem Zimmer gewiesen hätte. Aber nein. Sie hörte sich
     an, wie die Stiefmutter darüber sinnierte, daß Berthold von Anfang an nicht der richtige Mann für Ingrid gewesen |148| sei, ein stellvertretender Filialleiter heiratet ein in die traditionsreiche Nymphenburger Familie – so etwas kann einfach
     nicht gutgehen, sie habe Ingrid ja gewarnt, aber Ingrid sei ja nicht zugänglich gewesen, und dann so rasch schwanger.
    Ingrid sah in das fettige Gesicht, sah die Häme, die hinter dem öligen Grinsen kaum verborgen war. Wie ein dicker Schneemann,
     aus vielen unförmigen Teilen plump zusammengesetzt, hockte die Stiefmutter an ihrem Bett. Ingrid wußte, die gönnte ihr von
     ganzem Herzen genau das, was passiert war. Irgendwann bringe ich sie um,

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