Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
Stunden.
Robby, der Fünfziger-Jahre-Held, übte sich im Trösten und Tätscheln.
Ich fühlte mich sehr wohl bei ihm. Andeutungsweise zu Hause.
»Jetzt bleibst du erst mal bei mir«, sagte Robby.
Ich sah ihn staunend an.
»Für eine Weile«, ergänzte er schnell.
»Ohne Bedingungen?«, fragte ich tränenverquollen. Oh, wie leid ich mir doch tat!
»Ohne Bedingungen«, sagte Robby. »Sag mir, wie ich mich verhalten soll, damit du dich wohl bei mir fühlst.«
Er war ein Freund. Ein wahrer Freund.
Deshalb legte ich ihm gleich am ersten Abend all meine kleinen liebenswürdigen Eigenheiten dar.
Die Diva isst grundsätzlich nur Brei mit dem Plastiklöffel. Im Moment steht sie auf Dr.-Flusa-Vollweizen-Gel. Gibt es in jedem Reformhaus. Ansonsten mag sie Milchreis von Mühlmanns ohne Rosinen. Zu trinken wünscht die Diva entweder herben Weißwein mit viel Wasser verdünnt oder alkoholfreies Bier mit Cola light gemischt. Zu schlafen beliebt die Diva von Mitternacht bis gegen zehn, und wenn sie erwacht, möchte sie nicht angesprochen werden. Den Kaffee trinkt sie stets mit Honig, und im Badezimmer braucht sie zweimal zehn Minuten.
Im Bett kann sie keine Knöpfe ertragen, dagegen ist eine Wärmflasche sehr erwünscht. Zur Verdauung absolviert sie mindestens einmal täglich einen Marsch von einer Stunde zur Bekämpfung des inneren Schweinehundes, und zur Erhaltung der sogenannten Figur schwimmt sie mehrmals pro Woche zweitausend Meter am Stück. Das sogenannte Einsingen findet unmittelbar nach dem Frühstück statt, dauert zwei Stunden und fördert auf jeden Fall die Verdauung. Telefonate also bitte erst nach dem Einsingen.
Wenn am Abend ein Auftritt ansteht, ist es besser, die Diva vierundzwanzig Stunden vorher nicht mehr mit überflüssigen Lappalien zu belästigen. Mit anderen Worten, man richtet besser überhaupt nicht mehr das Wort an sie. Zur Zeit stehen aber keinerlei Konzerte an. Außer der dritten Dame natürlich.
Ansonsten gibt es kaum Verhaltensmaßregeln für Menschen, die mit ihr zusammenleben wollen.
Wenn das nicht einfach war! Jetzt fiel mir erst mal auf, wie unkompliziert ich war! Wenn ich da an die Marotten von Simon Reich dachte!
Robby fand mich auch unkompliziert. Noch am selben Abend improvisierte er ein breiiges Abendessen auf Haferflockenbasis und kredenzte eine alte verstaubte Flasche Wein mit Leitungswasser. Dann nahm er seine feinste Bettwäschegarnitur, hielt sie aus dem Fenster und schnitt alle Knöpfe ab. Er bestand darauf, dass ich in seinem Bett schlief, während er selbst im Wohnzimmer nächtigte.
»Du musst nicht zufällig jetzt auf dem Fußboden schlafen?«, fragte ich, als er sich Dieter-Porsche-mäßig mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedete.
»Darüber reden wir ein andermal«, sagte Robby und zog sich diskret zurück. Hach aber auch!
Die Diva kuschelte sich im doppelten Sinne weinseelig in die Biber-Bettwäsche mit den appen Knöpfen. Mein Paulchen! In den Händen von Barbaren! Die Mutter obdachlos und auf Almosen angewiesen! Eine wahre Geschichte zum Weinen und Schluchzen, und ich steckte mittendrin!
Die Story musste ich unbedingt aufarbeiten, für »Das tote Blatt«.
Robby der Geiger tröstete mich übrigens NICHT. Tante Lilli hatte recht. Dieser Mann hatte überhaupt keinen Schweinehund.
In den nächsten Tagen schaffte ich mir mit Hilfe einer alten ausgeleierten Schallplatte aus dem Geigerschen Archiv die dritte Dame drauf. Meine Übungsstunden wurden meistens von plötzlich auftretenden Heulanfällen unterbrochen, wenn ich an mein Paulchen dachte. Die Sehnsucht nach ihm war grenzenlos.
Doch ich hatte keine Wahl. Ohne Geld und Sicherheiten konnte ich nicht existieren, es sei denn, ich hätte mich selbst zur Sozialhilfeempfängerin degradiert, was Tante Lilli nie geduldet hätte. Mein Vertrag bei der Plattenfirma, wo ich immer backgroundmäßig »schubi duba« gesungen hatte, war nach Paulchens Geburt nicht verlängert worden, sodass ich auf meine mehr oder weniger sensationellen Solo-Engagements im klassischen Showgeschäft angewiesen war.
Ich erzählte Robby mein Dilemma.
»Warum heiratest du diesen Doktor denn um Himmels willen nicht?«, fragte er aufgebracht. »Denk doch mal an Antje Zier. Die hat das doch so praktisch gelöst!«
»Wahrlich, du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich«, sagte ich ärgerlich.
Robby sah mich fragend an. »Von denen?«
»Von diesen Grufties aus der verkalkten Generation.«
Mühsam erklärte ich ihm, dass ich
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