Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
»Er ist befreit durch unseres Armes Tapferkeit«, bestätigte sie meine den Kulturkritiker betreffende Vermutung. Ich hasste sie mit meiner ganzen gebeutelten Seele.
»Bitteee, meine Damen! Dies ist eine rein musikalische Probeee«, sagte Herr Schikaneder tadelnd. »Die dramatische Gestaltung überlassen Sie bitte dem Regisseur!«
Wir mussten uns dann laut Klavierauszug um einen schönen Mann streiten. Antje hatte mir Simon weggenommen, Walpurgis Herrn Lalinde. Eigentlich wäre die dritte Dame Frau Pupkes Rolle gewesen, denn die hatte mir Klaus weggenommen. Oh, wie brünstig konnte ich meine Partie interpretieren! Sie war mir in die Kehle komponiert! Danke, Amadeus!!
Herr Schikaneder war nicht ganz einverstanden mit meinem künstlerischen Beitrag.
»Drittee Damee bitte etwas weniger forciert. Es klingt zu breiig«, sagte er.
Ich schluckte.
Walpurgis konnte sich eines üblen, unkollegialen Kommentars nicht enthalten:
»Das ist bei ihr eine Ernährungsfrage«, erläuterte sie.
»Bitte noch mal etwas schlanker!«, sagte Herr Schikaneder, der Walpurgis’ hämisches Petzen überhört hatte.
»Spätzchen, etwas weniger con breio!«, sagte Simon sonor aus seiner Ecke heraus.
Antje und Walpurgis kicherten.
Ich wurde rot vor Ärger.
Wir begannen noch einmal von vorn. Ich versuchte, meinen Sound zu verändern. Kind, du solltest mal wieder eine Gesangstunde nehmen. Allein – von welchem Gelde? Herr Schikaneder bemerkte mit einem besorgten Seitenblick mein fleckentstelltes, dunkelrotes Antlitz. Wahrscheinlich war er es gewohnt, dass immer mal wieder eine gekränkte Diva in Tränen ausbrach. Deshalb machte er von dem pädagogisch so wertvollen Auf-Tadel-folgt-Lob-Trick Gebrauch:
»Musikalisch ist das schon sehr schön, was Sie da machen. Dagegen bei den anderen beiden Damen hapert es noch mit der Intonation …«
Der Mann hatte echte Führungsqualitäten! Das Prinzip der Gleichbehandlung dreier gleichbesoldeter Ensemblemitglieder war ihm absolut geläufig!
Jetzt war es an mir, einen kollegialen spitzzüngigen Kommentar abzugeben.
»Genau«, sagte ich befriedigt. »Auf meiner Schallplatte zu Hause klingt das nicht nur sauber, sondern rein!«
Keiner lachte.
Ich Trampel aber auch. So ein Eigentor!
Kein Sänger, der was auf sich hält, gibt öffentlich zu, dass er zu Hause eine Schallplatte hat!
Alle Hervorbringungen eines musisch begnadeten Sängers kommen aus seinem beseelten Selbst!
Der Einpauker überhörte es jedenfalls ebenfalls.
»Die Anderen bitte noch mal zu Hause zurechtlegen«, kommentierte er seine Arbeit.
In der nächsten Szene war Simon alias Papageno mit im Spiel. Aha, dachte ich. Deswegen hat er im Raum bleiben dürfen. Ordnung muss ja sein. Der Herr Einpauker ist eine Autorität, seine Entscheidungen haben Hand und Fuß.
Simons Mitwirkung an der frostig-frustigen Probe brachte ein wenig Auflockerung in die Atmosphäre aus Hass, Verleumdung und schwarzer Galle.
»So, ihr schönen Frauenzimmer, darf ich, so empfehl’ ich mich«, intonierte er gestenreich.
Mensch, zieh Leine, dachte ich. Auf mich hat dein theatralisches Getue sowieso keine Wirkung mehr.
Die Probe nahm ihren Lauf. Ich hatte Angst vor ihrem Ende. Man würde das eine oder andere private Wort wechseln müssen.
Walpurgis? Man zischelt viel sich in die Ohren. Allein, die Augen sprühen Gift.
Antje? Eigentlich mochte ich sie immer noch. Wie sie so schön und liebreizend und fröhlich einhererschien! Man konnte ihr gar nicht richtig böse sein.
In ihr wohnte eben auch ein recht lebensfroher Schweinehund. Deswegen fühlten wir uns ja auch so verbunden.
»Gehen wir noch irgendwohin?«, fragte Antje, als uns der Herr Einpauker in Gnaden entlassen hatte. »Ich habe dir viel zu erzählen!«
»Ja, plaudre, lüge nur nicht wieder«, sagte ich, frei nach Emanuel Schikaneder, also dem wahren Schikaneder. Der Einpauker hieß mit Vornamen Hubert. Und mit Nachnamen Dörrsupp. Konnte er auch nichts für.
Wir gingen in die Künstlerkneipe, die vis-à-vis zum Bühnenausgang lag und die ich letztens noch so vehement gemieden hatte. Diesmal gehörte ich dazu! Mein erster Auftritt in diesen Kreisen! Mit sehr erhobenem Haupt betrat ich das Etablissement. Um diese nachmittägliche Zeit war es noch ziemlich leer. Wir setzten uns an einen wackligen Tisch an der hinteren Wand. Erstens waren wir hier ungestört, und zweitens hingen dort so interessante Künstlerporträts.
»Kennst du den?«, fragte Antje und zeigte auf einen runden, vor Gesundheit
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