Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
abhängiger als je zuvor!
Nachmittags schlich ich mich oft zu den üblichen Pupkeschen Anlaufstellen im Stadtwald. Der Ententeich, das Wildgehege, der Kinderspielplatz und der Bäckerladen waren Orte, an denen ich mein Paulchen zu sehen hoffte. Manchmal überlegte ich, ob es Sinn habe, Paulchen einfach zu entführen. Aber abgesehen von dem Ärger mit der Polizei und dem Jugendamt würde ich dann auch wieder mein ganz altes Problem haben: Wohin mit Paulchen? Wo doch die Karriere gerade begann!
Robby konnte und wollte ich nicht als Babysitter missbrauchen. Zumal er mich dann anstandshalber vorher geheiratet hätte.
Kind, wenn du überhaupt einen heiratest, dann Klaus. Dass das mal klar ist.
Nicht, solange Frau Pupke ihm wichtiger ist als ich. Außerdem ist Heiraten völlig out! Wer will denn Liebe vertraglich absichern? Frau Pupke hat das voll erkannt! Die hat auch keinen Vertrag!
Tante Lilli wollte nicht mit mir über diesen Punkt diskutieren. Das hatten wir schon zu oft getan.
Jedenfalls reiß dich jetzt zusammen und straff die Schultern, rief sie streng. Wo ist dein sagenumwobener Optimismus?
Sobald ich wieder eigenes Geld verdienen würde, wollte ich Paulchen zu mir holen. Ganz einfach. Ich brauchte nur erst die passende Wohnung – eine Kleinigkeit, als singende Vorstadt-Callas mit unehelichem Kleinkind eine preiswerte Dreizimmerwohnung in einer verkehrsberuhigten Straße nahe des Stadtwaldes zu finden! – und dann, endlich, die passende Kinderfrau. Auch die würde leicht zu finden sein! »Suche hochdeutsch sprechende Kinderfrau, die Tag und Nacht zur Verfügung steht«, würde ich inserieren. »Ausgefülltes Privatleben erwünscht! Übernahme von Hausarbeit und Kochen kein Hindernis!« und schon würden mir die Bewerberinnen in Scharen die Tür einrennen!
Ich räusperte mich mit Entschiedenheit und begann wieder mit meinen Tonleitern. Vor lauter innerem Stress wurde mir dabei richtig flau. Ich zerrte an meinem Nietenhosenbund. Zuviel Frustbrei in letzter Zeit!
Auf, Pauline! Der Bühnenhimmel wartet auf dich! Und außerdem: Alle berühmten Sänger sind dick.
»Bitte Ruheee auf der Probeeebühneee!« Der Herr Einpauker, genannt Schikaneder, fuchtelte mit seinem Klavierauszug herum und scheuchte ein paar langmähnige Gestalten aus dem Raum. »Werkstattprojekt hat jetzt Pauseee! Bitte meine Herren! Wir möchten jetzt arbeiten! Hier ist nur noch Zauberflöteee! Erste Szeneee, bitte meine Damen!«
Alle Gestalten schlenderten betont gemächlich von dannen. Außer uns drei Mädeln, genannt Damen, und einer Ausnahmeee: Simon Reich. Der war gerade damit beschäftigt, seine Fingernägel zu pflegen. Wobei er nicht gestört werden wollte! (Der Handpfleger hatte aber eine Gewohnheit.) Der Herr Schikaneder ließ ihn gewähren, weil er sich nicht mit einem Sonderlichen vor andern anlegen wollte. Außerdem hatte Simon Reich eine Hauptrolle. Mit solchen Leuten spaßt man nicht.
Ich war ziemlich aufgeregt. Das lag zum einen daran, dass ich mich kreislaufmäßig in letzter Zeit recht angeschlagen fühlte, und zum anderen, dass die beiden anderen Damen mir nicht nur bekannt, sondern mit mir auch verfeindet waren. Die erste war erwähntermaßen Antje Zier, die mich damals in München mit Simon betrogen hatte. Ihretwegen saß Simon jetzt auch hier rum und manikürte sich die Fingernägel! Weil er ihr künstlerischer Berater und Beischläfer war! Es war eine Provokation erster Güte. Die zweite Dame war zu meinem großen Entsetzen Walpurgis, meine ganz spezielle Lieblings-Feindin. Wegen grob unkollegialen Verhaltens mochte ich sie erst recht nicht. Walpurgis hatte einmal in einer geplatzten Uraufführung alles auf einmal abgestaubt, mein Kamm-Solo und meinen damaligen Begleiter, Herrn Lalinde, seines Zeichens Kulturkritiker.
Ausgerechnet diese Zimtzicke musste nun neben mir stehen! Mit ihr würde ich mir schon gar nichts zu sagen haben. Über ausrangierte Männer spricht man nicht!
Die Probe begann. Wir drei Damen, eine immer dämlicher als die andere, sangen mit aller Kraft, die unsere mittelbegabten Stimmbänder hergaben, gegeneinander an und versuchten, die Gunst des Herrn Einpaukers durch treue Augenaufschläge und arbeitsintensives Nicken bei jedweder Anmerkung zu gewinnen.
»Stirb, Ungeheur!«, röhrte ich Walpurgis an. Ich dachte, mit der szenischen Ausarbeitung könnte gar nicht früh genug begonnen werden.
»Triumph, Triumph, sie ist vollbracht, die Heldentat«, kreischte Walpurgis mir ins Ohr. Elende Schnepfe!
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