Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
um sich von mir neue Groschen zu holen.«
»Da war mir der Hörer aus der Hand gefallen.«
»Kennst du seine Wohnung? Chaotisch, nicht?«
»Och was. Jungens räumen eben nicht auf. Da kriegen die Pickel von.«
»Ich muss dir was gestehen. Durch seine Unbürgerlichkeit weiß ich erst, wie spießig es mit Rolf war!«
»Wieso war? Habt ihr euch getrennt?«
»Vorübergehend, erst mal.«
»Was du nicht sagst!«
»Ich muss zwar bei Simon auf dem Fußboden schlafen, aber Simon ist ein Weg zurück zum Wesentlichen. Er ist so anders, so spontan, er braucht keinen Luxus, wie soll ich sagen, er ist einfach …«
»Vollkommen autark.«
»Genau.«
»Und das magst du so an ihm.«
»Ja. Bei uns zu Hause war alles immer so geregelt! Bei uns kochte die Britta Diät – Rolf muss dauernd abnehmen, weißt du –, und die Britta räumte auf und versorgte die Kinder, und abends hatten wir Gäste, und in den Ferien fuhren wir nach Garmisch. Das ging mir mit der Zeit immer mehr auf die Nerven! Rolf ist so gar nicht künstlerisch …«
»… du meinst, wenn man ihn fragt, was länger brennt, eine Geige oder ein Klavier, dann WEISS er es nicht?«
»Doch. Klavier brennt länger. Das sagt ihm sein praktischer Verstand. Er ist so phantasielos!«
»Sagtest du nicht, er sei Hersteller von irgendetwas Nützlichem?« Ich wusste nur, dass er beruflich im erdnäheren und lukrativeren Bereich angesiedelt war als unsereins.
»Er ist Chef einer Schraubenfabrik«, sagte Antje bekümmert.
»Das ist allerdings ein trister Job«, gab ich zu.
»Natürlich hatten wir immer Geld, aber ich habe festgestellt: Geld ist nicht alles!«
»NEIN?!?«
Welch bombastische Entwicklung hatte Antje durchgemacht! Und alles wegen Simon …
»Also seit der Neunten in München, sagst du …«, nahm ich den Faden wieder auf.
»Seit dem dritten Satz, um genau zu sein. Da hat er mir doch mitten auf der Bühne …«
»Ich weiß«, sagte ich. »Hühnerbrühe. Im Thermosbecher. Das hat was.«
Antje stutzte. »Woher weißt du das alles?«
»Ich saß in der ersten Reihe«, sagte ich. »Hast du mich nicht gesehen?«
Antje kniff die Augen zusammen. »In der ersten Reihe saß ein großer Dicker und schlief. Daran kann ich mich genau erinnern. Er hatte auch ein Mädel dabei, aber das warst nicht du!«
»Doch. Leider.«
»Nein. Das war eine Bayernmaid. Im Dirndlkleid mit Puffärmeln.«
»Puffärmel stimmt.«
»Das warst DU!?!« Antje starrte mich an.
»Worüber wunderst du dich? Über die Puffärmel? Ich muss zugeben, nicht gerade mein übliches Outfit …«
»Aber warum bist du denn nachher nicht hinter die Bühne gekommen? Ich hätte mich wahnsinnig gefreut!«
»Erstens habe ich mich meiner Puffärmel geschämt, und zweitens wollte ich nicht stören.«
»Aber du hättest doch nicht gestö…« Antje unterbrach sich. Heftig stellte sie ihr Glas ab. Dann schlug sie sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
»Simon und du! Das darf nicht wahr sein! DU warst das, derentwegen ich wochenlang nicht in seine Wohnung durfte!«
»Das glaube ich nicht. Da ist er unkompliziert. Wahrscheinlich war es nur nicht so aufgeräumt wie sonst. Mir ging es damals genauso.«
»Er sagte immer, bei ihm wohne zur Zeit noch jemand! Er wisse nicht, ob und wie lange dieser Jemand noch weiter dort wohnen werde! … Dir gehört also die rote Wolldecke!«
»Geschenkt«, sagte ich.
Antje schluckte. »Und die Packung Anti-Baby-Pillen …«
»Geschenkt«, sagte ich großzügig. »Ist es wenigstens deine Marke?«
»Nein.«
»Na, dann verschenkt Simon sie weiter, bei passender Gelegenheit.«
»Also wirklich!«
»War nur einer meiner weniger gelungenen Scherze.«
Da saßen wir, Busen an Busen, und guckten uns an.
»Prost denn.«
»Bist du mir auch nicht böse?«
»Ach was. Du mir auch nicht?«
»Kein bisschen.«
Wir tranken den Sekt aus.
Plötzlich fiel bei ihr der nächste Groschen.
»DER war es, von dem du mir in Frankreich erzählt hast!«, schrie sie und wurde des Schlagens vor ihre Stirn nicht müde. »Der Intellektuelle!«
»Du sagest’s!«
»Der Autarke, der Außergewöhnliche!«
»Genau«, sagte ich. »Simonis der Aussätzige.«
»Der Alltagsuntaugliche!«
»Das hast du gesagt. Mit Alltagsuntauglichen macht es im Allgemeinen mehr Spaß.«
»Macht es auch!«, schrie Antje begeistert.
»Darauf einen Dujardin.«
Wir bestellten neuen Sekt. Der bauchige Kellner brachte eine bauchige Flasche.
Ich musste an Klaus denken. Obwohl: so bauchig wie der Kellner war der
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