Frauen al dente. (German Edition)
verstehend und alles verzeihend. Unablässig knetete sie dabei Marlens Ohr.
»Bei Adoptiveltern wirst du es bestimmt besser haben. Sie werden dir ein prima Kinderzimmer einrichten, dich in Spielzeug ertränken und auf die besten Schulen schicken. Jeden Abend wird deine neue Mama dir eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen, und wenn du einmal krank sein solltest, wird sie an deinem Bett sitzen und dich gesundpflegen.« Zärtlich befreite Marlen ihr Ohr von Lisas kleiner Faust und versetzte ihr einen Nasenstüber.
Als sie wenig später mit Lisa auf dem Arm die Küche betrat, warteten Hella und Barbara bereits auf sie. Sie überboten sich geradezu darin, Lisa noch ein letztes Mal zu herzen und zu küssen.
»Mach's gut, meine Kleine. Du hast mir gutgetan. Wenn du jemals im Leben knapp bei Kasse sein solltest, wende dich getrost an mich. Ich werde dir persönlich jeden Kredit der Welt bewilligen.« Hella wischte sich rasch eine vorwitzige Träne aus dem Augenwinkel. »Schon komisch, wie schnell man sich an ein so kleines Wesen gewöhnen kann«, krächzte sie mit einem Kloß im Hals.
»Vor allen Dingen an sein nächtliches Gebrüll«, grinste Barbara. Sie drückte Lisa einen kräftigen Schmatz auf die pausbackige Wange. »Bist du okay?« erkundigte sie sich bei Marlen, die Aktentasche bereits unter dem Arm.
»Total okay. Lisa und ich haben uns bereits voneinander verabschiedet. Und selbst, kommst du klar?«
Barbara wandte sich noch einmal um. »Du meinst meinen Staatssekretär? Keine Bange, das habe ich im Griff. Seinen Auftritt von gestern wird er mir noch büßen!«
Marlen warf Hella einen schockierten Blick zu. »Mensch Barbara, sei vernünftig. Er sitzt am längeren Hebel, mach ihn dir nicht zum Feind.«
Mit einem herausfordernden Lachen warf Barbara den Kopf in den Nacken. »Laßt mich nur machen. Ich weiß schon, was ich tue.« Die Wohnungstür fiel hinter ihr ins Schloß.
»Klassischer Abgang vor Eintritt der Katastrophe«, murmelte Hella ahnungsvoll. Ein letzter Kuß für Lisa, dann war auch sie fort, kehrte jedoch noch einmal zurück.
»Wahrscheinlich wird es bei mir heute Abend wieder spät werden. Kannst du auf dem Heimweg Toilettenpapier besorgen? Und frisches Graubrot, das alte war schimmelig.« Sie wartete Marlens Antwort gar nicht erst ab, sondern klapperte bereits auf ihren soliden Blockabsätzen die Treppe hinab.
»Du siehst, der Alltag hat uns wieder.«
Und Lisa schenkte Marlen ein breites, zahnloses Lächeln.
»Und Sie garantieren mir, daß Lisa in wirklich gute Hände kommt?!« Marlen wechselte auf dem Besuchersofa von Rechtsanwalt Bode wohl zum hundertsten Mal in der letzten Viertelstunde ihre Beinhaltung. Reichlich unbequemes Möbel. Aber immerhin fand Lisas Tragetasche Platz neben ihr auf dem Sofa.
Rechtsanwalt Martin Bode blinzelte sie durch seine Brillengläser freundlich an. »Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Sommer. Ich werde alles Erforderliche veranlassen. Sie haben sich entschieden, damit ist der Fall für Sie erledigt. Lisa Marlen wird es gutgehen.«
»Ich nenne sie nur Lisa«, verbesserte Marlen automatisch. Zu spät fiel ihr ein, daß es darauf eigentlich nicht mehr ankam. Unschlüssig erhob sie sich. Zeit für ihren Abgang. Zeit auch fürs Büro. Noch ein letzter Blick auf die schlafende Lisa. Resis Tochter. Sorry Resi. Ich kann nicht anders. Du als vernünftige Frau wirst es einsehen. Ich habe es immerhin probiert. Ein ganzes Wochenende lang. Mehr kannst du unmöglich von mir verlangen. Wie käme ich dazu, mein Leben umzukrempeln? Für ein Baby. Dein Baby. Dein Mißgeschick. Zieh mich nicht in die Verantwortung. Verdammt!
Marlen rief sich zur Ordnung. Sie riß sich von Lisas friedlichem Anblick los und reichte Bode zum Abschied die Hand.
»Es ist wirklich besser so. Können Sie mich verstehen?«
»Es kommt nicht darauf an, ob ich Sie verstehe, Frau Sommer. Wichtig ist einzig und allein, ob Sie davon überzeugt sind, das Richtige zu tun. Und das sind Sie ja, nicht wahr?«
»Allerdings, hundertprozentig. Und Lisa versteht das, ich habe es ihr erklärt.« Marlen beugte sich ein letztes Mal über die Trage. »Alles Gute, mein Baby«, flüsterte sie. Lisa konnte sie nicht hören.
Zweiunddreißig Stufen bis ins Erdgeschoß. Einhundertzwanzig Schritte bis zur Haltestelle.
Ruhig, ganz ruhig, sprach sie sich selbst Mut zu. Verdammt, weshalb funktionierte ihr Psychoprogramm heute nicht? Da gab frau ein Vermögen für ein vernünftiges Lebenshilfeprogramm aus, und wenn es wirklich
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