Frauen al dente. (German Edition)
wird, eine Familie zu gründen? So richtig, mit Mutter, Vater, Kind?« unterbrach Hella ihr Schweigen.
»Muß der Vater unbedingt dabei sein? Ein Kind alleine würde es doch auch schon tun«, kicherte Barbara.
Hella schnalzte unwillig mit der Zunge. »Mach keine Witze, mir ist es ausnahmsweise ernst. Seht euch doch bloß mal um. Die meisten Frauen in unserem Alter rennen mit Mann und Kindern durch den Wald. Singles wie wir bilden die absolute Ausnahme.«
»Unsinn!« fiel Marlen ihr ins Wort. »Statistisch gesehen machen die Einzelhaushalte bereits ein Drittel an der Gesamtzahl aller Haushalte aus.« Sie mußte es wissen, sie hatte erst in der vergangenen Woche einen Artikel zu diesem Thema redigiert.
Aufstöhnend griff Barbara sich an den Kopf. »Erspar uns bloß deinen Statistikkram. Die meisten Singles sind weiblich und über sechzig, das weißt du doch so gut wie ich. Sie sind verwitwet, geschieden oder alte Jungfern, die keinen mehr abgekriegt haben. Frauen wie uns, die sich bewußt dafür entscheiden, in ihrem Beruf Karriere zu machen, kannst du noch immer mit der Lupe suchen. Ich jedenfalls habe das Thema Familie für mich abgehakt. Mir langt es, daß ich meine zwei Geschwister aufgezogen habe. Mein Bedarf an Familie ist damit für alle Zeiten gedeckt. Eines Tages möchte ich vor meine Mutter treten und sagen: Siehst du, ich tauge sehr wohl noch zu etwas anderem als Kinderhüten und Kochen. Ich möchte Karriere machen, und irgendwie werde ich es auch schaffen. Ihr werdet schon sehen!«
»Aber Kinder machen doch soviel Freude«, protestierte Hella ungewöhnlich sanft und ziemlich geistesabwesend. Sie schien Barbara überhaupt nicht zugehört zu haben. Ihre Hand wanderte hinter den Mullvorhang und begann, die Kleine zu streicheln.
»Nicht wecken! Babys brauchen ihren Schlaf.« Marlen wachte mit Argusaugen über Lisa. »In einem Punkt hast du recht, Hella. In unserem Alter müssen wir uns entscheiden, die Uhr tickt. Und es ist eine verdammt harte Entscheidung. Denn ich muß zugeben – so ein Baby berührt Seiten in mir, von denen ich nicht gewußt habe, daß es sie überhaupt gibt.«
Marlen schwieg nachdenklich. Um gleich darauf laut aufzulachen: »Was natürlich für mich nur bedeuten kann, um jedes Kind einen weiten Bogen zu schlagen. Sonst kann ich mir den Job der stellvertretenden Chefredakteurin sofort in die Haare schmieren!«
»Sag bloß, du wirst stellvertretende Chefredakteurin!« staunte Barbara.
»Seht ihr! Lisa belegt mich so mit Beschlag, daß ich euch die wirklich wichtige Entwicklung in meinem Leben noch nicht erzählen konnte. Ja, stellt euch vor. Bei
pleasure
wird demnächst die stellvertretende Leitung frei. Natürlich habe ich meinen Hut sofort in den Ring geworfen. Ist doch wohl klar, daß ich mir eine solche Chance nicht entgehen lasse.« Marlen strahlte selbstbewußt.
»Dann ist Lisas Schicksal ja wohl besiegelt?« stellte Hella mit Grabesmiene fest.
Marlens gute Laune schlug in offene Aggression um. »Du denkst doch auch, daß ich als Mutter die glatte Fehlbesetzung bin, gib es doch zu! Letztlich tu ich Lisa nur einen Gefallen, wenn ich auf die Vormundschaft verzichte!«
»Und deine Freundschaft zu Resi zählt wohl überhaupt nicht für dich?« ereiferte Hella sich.
»Psst, ihr Streithennen! Seht mal da rüber!« fuhr Barbara dazwischen, bevor die beiden sich an die Kehle gehen konnten.
Mit dem Finger wies sie auf eine kleine Gruppe Menschen, die sich in flottem Tempo ihrer Bank näherte.
»Ist das nicht …?« fragte Marlen, die ihr widerstrebend gefolgt war.
»Er ist es. Mit seiner kompletten Familie.« Mit zusammengekniffenen Augen starrte Barbara ihnen entgegen.
»Wer ist wer?« erkundigte Hella sich ahnungslos.
»Barbaras Staatssekretär, du weißt schon«, flüsterte Marlen zurück. Gespannt verfolgte sie die pikante Szene. Was würde als nächstes geschehen? Würde der Staatssekretär seine junge Geliebte entdecken? Würde er sie grüßen?
Er grüßte nicht. Arm in Arm mit seiner Gattin schritt er hoheitsvoll an Barbara und den beiden anderen vorbei. Und dies, nachdem er Sekunden vorher Barbaras Blick eingefangen und blitzschnell in eine andere Richtung gesehen hatte.
»Dieses Miststück! Mich zu ignorieren! Dabei wäre es so einfach gewesen. Immerhin arbeite ich in seinem Haus. Eine Mitarbeiterin wird er doch wohl noch grüßen dürfen!« Wutentbrannt sprang Barbara auf und stapfte zurück zum Parkplatz, wo sie ihren Wagen abgestellt hatten.
»Worüber regt sie
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