Frauen al dente. (German Edition)
imstande, Marlen den gesamten Polizeiapparat des Landes auf den Hals zu hetzen.
»Psssst!« Marlen zog sie aus dem Eingangsbereich hinaus in eine ruhigere Ecke. »Es tut mir leid, ich war ganz in Gedanken. Mir ist gerade etwas schrecklich Unangenehmes passiert… Ich bin auch noch ziemlich neu als Mutter …«, versuchte sie sich in hilflosen Erklärungen.
»Andere Mütter sind das auch. Trotzdem setzen sie ihre Babys nicht aus. Ich sollte Sie anzeigen.« Die Frau streckte Marlen die Hand mit der Handfläche nach oben entgegen. Eine unmißverständliche Geste. Sie verlangte Schweigegeld.
Die Frau schien sie für einen Goldesel zu halten. Zähneknirschend legte Marlen einen zweiten Hunderter hinein. »Erpressung ist ebenfalls strafbar«, preßte sie hervor.
Doch ihr Gegenüber zeigte sich hartgesotten. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Mit teilnahmsloser Miene händigte sie Marlen die immer noch oder schon wieder schlafende Lisa aus.
»Dieses Lokal sieht mich jedenfalls nicht wieder«, zischte Marlen.
»Mich auch nicht. Ich arbeite hier nur zur Aushilfe. Heute ist mein letzter Tag.« Mit der Hand auf dem Telefon sonnte die Frau sich in der Position der Stärkeren.
Marlen trat den Rückzug an, doch sie schwor sich, künftig genauer hinzusehen, bevor sie Lisa jemandem anvertraute.
Etwa zur gleichen Zeit wählte Hella in einem Anflug verzweifelter Entschlossenheit die Telefonnummer ihrerFrauenärztin. Ihre Brüste schmerzten unvermindert, und ihre Finger glichen unförmigen Bockwürsten. Schlabberig und ziemlich gefühllos. Das knappe Dutzend Ringe an ihren Fingern ließ sich kaum noch abstreifen. Bei aller Liebe zu dem kleinen Vermögen, das sie an den Händen trug – so wertvoll, daß sie sich im wahrsten Sinne des Wortes nie wieder von ihm trennen wollte, war es nun auch wieder nicht.
Sie bekam schon für den kommenden Freitag einen Termin, was einem kleinen Wunder gleichkam. Allerdings in den frühen Morgenstunden, während ihrer üblichen Arbeitszeit, was sie sofort wieder zögern ließ. Doch diesmal fühlte sie sich krank genug, um den Termin anzunehmen. Ihre männlichen Kollegen gingen alle naselang während der Arbeitszeiten zum Arzt. Ohne erkennbare Skrupel. In gewissem Sinne hatte sie also etwas gut.
Ihr Blick blieb an dem Strauß gelber Rosen haften, den Frau Schuhmann dekorativ an den Rand von Hellas Schreibtisch plaziert hatte. Der Fleuropbote hatte ihn heute vormittag geliefert. Der zweite Strauß von diesem Jens Ebert. Ein unmöglicher Kerl. Seine Hartnäckigkeit verblüffte Hella. Irgendwie rührend, daß ein Mann, der ohne weiteres die in ihren Augen um etliches attraktivere Marlen fürs Bett haben konnte, sich ausgerechnet für sie interessierte. Und dann noch in aller Offenheit. Ob Marlen Bescheid wußte? Aber für sie war Jens ohnehin nur einer ihrer üblichen One-Night-Stands gewesen. Eine Perle in einer langen Kette. Hellas Kette dagegen war um einiges kürzer geraten. Nicht ohne Grund.
Unwillig verscheuchte Hella die trüben Gedanken und wandte sich wieder Erbaulicherem zu – den Kreditabschlüssen der vergangenen Woche.
Auch Barbara hatte an diesem Nachmittag so ihre Probleme. Ihrem weiblichen Instinkt und erst recht ihrer gekränkten Eitelkeit gehorchend, wäre sie am liebsten wie eine Furie in das Büro des Staatssekretärs gestürzt, um ihm eine Szene hinzulegen, die sich gewaschen hatte. Staatssekretär hin oder her – immerhin hatte sie ihm die Gnade des Beischlafs gewährt. Ein Minimum an Höflichkeit durfte sie also mit Fug und Recht erwarten. Selbst in Gegenwart der Staatssekretärs-Gattin.
Doch dann war sie mit Arbeit zugeschüttet worden, und als sie endlich das letzte Diktat, supereilig, auf Band gesprochen hatte, war es längst halb sechs und der Staatssekretär zu irgendeinem Empfang außer Haus.
Dann eben nicht, ihre Wut war ohnehin längst verraucht. Ohnehin wäre es reichlich blöd von ihr gewesen, bereits nach der ersten Nacht Besitzansprüche geltend zu machen. Männer fühlten sich so leicht bedrängt. Wahrscheinlich wäre es klüger, sich für ein zweites Mal in aller Diskretion bereit zu halten. Nichts schätzten Männer an einer Frau mehr als aufopfernde Selbstlosigkeit.
Und Barbara nahm sich vor, im Interesse ihrer beruflichen Zukunft selbstlos bis zur Selbstaufopferung zu sein. Zumindest bis auf weiteres.
Marlen verzichtete darauf, an diesem Schreckensmontag noch einmal in die Redaktion zurückzukehren. Ein weiteres Mal gab sie dringende
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