Frauen al dente. (German Edition)
Recherchearbeiten vor. Ein Argument, das sich langsam aber sicher abnutzte. Zumindest bei Tanja. Doch was half's? Sie brauchte einfach ein Minimum an Zeit, um sich auf ihre veränderte Familiensituation umzustellen. Sie brauchte Windeln, Flaschennahrung und demnächst auch Kleidung. Ein Bett, einen Babysitz…
Marlen beschränkte sich zunächst auf die Windeln und die Flaschennahrung, mehr konnte sie mit Lisa in der Tasche und ohne Auto sowieso nicht tragen. Nur ein praktischer Buchratgeber
Die Mutter und ihr erstes Kind
fand noch Platz, in den sie sich daheim auch sofort vertiefte.
»Du spinnst doch total!« Blaß und müde lehnte Barbara in Marlens offenstehender Zimmertür. »Nenn mir einen vernünftigen Grund, weshalb du Lisa nun doch bei dir aufnimmst! Einen einzigen nur.«
Marlen, die Lisa in ihren Armen hielt, zog sie unwillkürlich ein wenig enger an sich heran. Herausfordernd erwiderte sie Barbaras Blick.
»Was weiß ich. Ich bin halt sentimental. Irgendwie fühle ich mich Resi verpflichtet. Sie hat mir vertraut.«
»Die Karrierefrau zeigt Gefühle?« spottete Barbara milde.
»Hältst du mich für einen Eisblock?« giftete Marlen zurück.
Versöhnlich lenkte Barbara ein. »Reg dich nicht auf. Vielleicht hätte ich genauso reagiert. Hast du dir schon überlegt, wie es weitergehen soll?«
»Als erstes brauch' ich eine zuverlässige Person, die tagsüber auf Lisa aufpaßt. Hast du morgen vielleicht Zeit?«
Barbara lachte auf. »Du beliebst zu scherzen. Setz ein Inserat in die Zeitung, und zwar so schnell wie möglich, wenn du deinen Job nicht an den Nagel hängen willst. Tagesmütter sind Mangelware.« Sie drehte in Richtung Küche ab. »Ich habe schrecklichen Kohldampf, ist was zu essen im Haus?«
»Nur 'ne Packung Knäcke. Ich hab' vergessen, Brot mitzubringen. Aber irgendwo liegt noch 'ne Tütensuppe rum?!« Im Notfall hätte Marlen auch eine Runde Kinderkekse springen lassen können, doch sie wagte nicht, sie Barbara anzubieten.
»Tütensuppe? Igitt! Laß uns lieber runter zum Italiener springen.« Barbaras Leidenschaft für italienisches Essen schien seit dem denkwürdigen Abend mit ihrem Staatssekretär neu entflammt.
»Prima Idee, ich zieh' mir rasch was anderes an.« Denkste! Zunächst verlangte Lisa nach Nahrung. Und zwar unmißverständlich. »Sorry«, bedauerte Marlen.
»Soviel zum Thema Verzicht. Und das ist erst der Anfang.« Barbara gefiel sich als düsteres Orakel.
»Was ist erst der Anfang?« erkundigte Hella sich, geschafft, aber neugierig. Sie war gerade erst nach Hause gekommen und hatte nur noch Barbaras letzte Worte verstanden.
»Das Theater mit dem Kind. Bald können wir Marlen abends abschreiben. Sie wird nur noch vor dem Fernseher hocken und auf Lisa aufpassen. Nix mehr mit Ausgehen und Amore! Ich weiß genau, wie das läuft.« Barbara pochte auf ihre traumatischen Jugenderfahrungen.
»Sag bloß, wir behalten das Baby?« Freudig überrascht ließ Hella ihre Aktentasche noch in der Diele fallen, slippte ihre Schuhe von den Füßen und eilte zu Marlen hinüber.
»Mach schon mal 'ne Flasche warm. Lisa hat Hunger«, orderte Marlen.
»Mach doch selber. Ich nehm' sie lieber auf den Arm.«
»Rosinenherauspicken gilt nicht. Wechsle ihr wenigstens die Windeln.« Während Marlen Milchpulver in heißes Wasser löffelte, kam ihr ein verwegener Gedanke. »Du hast morgen nicht zufällig deinen freien Tag? Ich brauche für Lisa noch eine kompetente Aufpasserin.«
Doch statt einer Antwort tippte Hella sich bloß gegen die Stirn.
»Gehst du wenigstens mit zum Italiener, Hella?« forderte Barbara.
Hella schüttelte den Kopf. »Mir reicht 'ne Scheibe Brot. Ich hab' keine Lust, noch auszugehen.«
»Wir haben kein Brot mehr, Marlen hat vergessen, welches einzukaufen.«
Klang da etwa Häme heraus?
Hella war gnädig gestimmt. »Nicht so schlimm, Marlen hatte heute bestimmt andere Sorgen. Aber an das Toilettenpapier hast du doch gedacht?«
Marlen verdrehte die Augen, Abbitte leistend gen Himmel. Bedauerlicherweise hatte sie auch das vergessen. Hilflos zeigte sie auf das Doppelpaket Windeln. »Im Notfall können wir vielleicht darauf zurückgreifen?« Schwacher Versuch zu scherzen. Zu schwach. Niemand lachte.
Zum Glück schellte es an der Wohnungstür. Barbara öffnete. »Es ist der Rechtsanwalt, er kommt rauf!«
Huch! Marlen zuckte überrascht zusammen. Schon wieder der Oberkontrolleur. Übertrieb er seine Rolle nicht ein wenig? Marlen raffte hastig einige herumliegende
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