Frauen al dente. (German Edition)
Bauchweh?
»Om!« ertönte es abermals.
Marlen zögerte. »Ist sie allein?« erkundigte sie sich vorsichtshalber bei Karin.
Karin, die Unerschütterliche, nickte wortlos. Sie schien es für das Normalste der Welt zu halten, inmitten von Oms und Weihrauch babyzusitten. Möglicherweise war es das ja auch. Vielleicht befand Marlen selbst sich gerade nur nicht auf der passenden Bewußtseinsebene.
Dann wurde es höchste Zeit, wieder die gleiche Ebene herzustellen. Sie brauchte Barbara in der schaurigen Gegenwart, und zwar sofort. Energisch klopfte Marlen gegen die Tür zu ihrem Zimmer.
»Om!« kam zur Antwort.
So ging es also nicht. Marlen drückte die Klinke herunter. Die Tür sprang auf und offenbarte ein mentales Ereignis. Die Vorhänge vor den Fenstern waren zugezogen. Eine brennende Kerze auf dem Fußboden tauchte das Zimmer in flackerndes Dämmerlicht. Mittendrin Barbara im Yogasitz auf dem Boden. Die Augen geschlossen, die Hände in Mantra-Position auf den Knien. Mit Inbrunst zelebrierte sie ein weiteres »Om.«
»Barbara!« versuchte es Marlen zunächst vorsichtig.
»Om!«
»Hör jetzt mal einen Augenblick auf mit dem Quatsch! Ich muß dringend mit dir reden!«
»Om!«
»Flittchen lockt Staatssekretär in Sex-Falle. Die BILD bringt das Foto mit deinem vollen Namen. Wie gefällt dirdas?«
»…« Zumindest schien sie sich in Barbaras Bewußtsein vorgekämpft zu haben.
Doch Barbara hielt noch immer die Augen geschlossen.
»Ich bin auf der Suche nach meiner Mitte«, sagte sie nun vorwurfsvoll. Wahrscheinlich hatte ihr Bewußtsein ihren Mittelpunkt gerade gestreift, schauderte jedoch bei Marlens unsensiblem Eingreifen zurück.
»Deine Mitte kannst du auch noch später suchen. Zunächst einmal müssen wir deinen guten Ruf retten. Zieh dir was über. Es ist bereits Nachmittag, und du sitzt noch im Schlafanzug herum. Ich warte drüben bei mir auf dich. In diesem Gestank kann ich nicht denken.« Marlen rauschte hinaus. Drüben in ihrem Zimmer holte sie ihr Diktiergerät hervor und kontrollierte die Batterien. Dann riß sie die Schutzhaube von PC und Drucker. Schon nahte Barbara auf bloßen Sohlen.
»Einen Augenblick noch!« Marlen stürmte an ihr vorbei hinüber in die Diele, wo Lisa mit Karin auf dem Teppichboden spielte. Sie beugte sich über das Kind und drückte ihm einen saftigen Kuß auf die Stirn.
»Bald brechen bessere Zeiten für uns an, ich verspreche es dir!« flüsterte sie ihr ins winzige Ohr.
Lisa quiekte fröhlich, vermutlich weil Marlens Locken sie kitzelten. Doch Marlen nahm es als Zustimmung.
Zurück in ihrem Zimmer setzte sie Barbara mit wenigen Worten die Aufregung um die dpa-Aufnahme von Maiersdorf und ihr auseinander.
»Es wird einen saftigen Skandal geben. Und dreimal darfst du raten, auf wen Maiersdorf die Schuld abwälzen wird!« schloß sie.
»Du meinst auf mich?«
»Die Kandidatin hat hundert Punkte. Du bist der Lockvogel, der ihn in die Falle gelockt hat. Und alle Welt wird ihm glauben. Immerhin ist er für sein vorbildliches Familienleben bekannt. Geht er nicht sogar jeden Sonntag in die Kirche?«
»Verdammte Scheiße! Was soll ich bloß tun?« jammerte Barbara in einem Anfall heftigster Panik. Dann schien ihr etwas einzufallen. Sie schloß die Augen.
»Om!«
»Hiergeblieben!« befahl Marlen scharf. »Solange du mich hast, kommst du auch ohne deine Mitte aus. Sag mir lieber, ob du schon deine Periode hast.«
Barbara schüttelte kläglich den Kopf.
»Um so besser. Dann gibst du mir jetzt ein Exklusivinterview über deine Beziehung zu Maiersdorf. Tenor: Er ist für dich kein flüchtiges Sexerlebnis, sondern die Liebe deines Lebens. Bestimmt hat er dir vorgegaukelt, daß seine Frau ihn nicht versteht. Naiv wie du bist, hast du darauf vertraut, daß er seine Frau für dich verlassen wird. Jetzt erwartest du ein Kind von ihm. Basta. Wir zeichnen das Bild der Unschuld vom Lande. Ganz im Gegensatz zu dem Lasterbild, das er vermutlich von dir entwerfen wird.«
»Mir wird schlecht!« verkündete Barbara. Sie sah wirklich ziemlich grün im Gesicht aus.
»Das kommt von dem Weihrauchgestank«, stellte Marlen ungerührt fest. »Oder du bist tatsächlich schwanger, dann verklagen wir ihn auch noch auf Unterhalt.«
»Ich kann mich nicht mehr auf die Straße trauen. Jeder wird mich erkennen«, jammerte Barbara.
Ungerührt hielt Marlen ihr das Mikro vor die Nase. »Daran hättest du früher denken müssen, meine Liebe. Kann's losgehen?«
Barbara räusperte sich umständlich.
Weitere Kostenlose Bücher