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Frauen fragen Feuerstein

Frauen fragen Feuerstein

Titel: Frauen fragen Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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verschwanden. Er selber war als Sechsjähriger in Thailand in einem UNO-Flüchtlingslager für Kinder aufgenommen worden. Von allen Verwandten ist ihm nur ein Onkel geblieben.
    Gerade dreißig Jahre ist es her, dass dieser Spuk zu Ende ging, aber die Wunden sind offen, und hinter manchem Lächeln verbergen sich Angst und Hass, zumal kein Einziger der Täter von damals zur Verantwortung gezogen wurde — im Gegenteil, viele sind heute noch in Amt und Würden. Und Pol, der Massenmörder, starb vor wenigen Jahren friedlich in seinem Bett.
    Wir fahren weiter auf der Nr. 2. Wie viele Killing Fields wohl links und rechts von der Straße liegen mögen?

    Von mürrischen Bossen, freundlichen Kindern und grässlichen Absteigen

    Wir machen Mittag in Tonle Bati , dem stillen Seitenkanal des Bassac -Flusses, wo Bambus-Plattformen auf Stelzen die Städter am Wochenende zum Picknick und Baden einladen, trotz des schmutzig braunen Wassers. Heute, am Donnerstag, sind wir die einzigen Gäste in dem erstaunlich modernen Restaurant, zu dem uns zwei Mädchen auf Mofas gelotst hatten, die an der Kreuzung als lebende Wegweiser kräftig winkend auf Kunden lauern. Als ein Geländewagen der Luxusklasse einrollt und dermürrische Besitzer durch den Laden schreitet, fallen die Angestellten vor Demut fast auf die Knie. Munthip verzieht das Gesicht: »Ein Polit-Boss natürlich«, murmelt er, »dachte ich mir’s doch !«
    Zwei idyllische, liebevoll gepflegte Tempelruinen besuchen wir auf der Weiterreise, wieder als die einzigen Gäste, sofort umschwärmt von einem Rudel Kindern mit Blumen und allerlei Souvenirkram, lächelnd und sanft, aber beharrlich, Und damit sind wir bei der schwierigsten Frage für Touristen in der Dritten Welt: Was gibt man bettelnden Kindern? »Nichts«, sagen die Moralisten, weil man sie sonst bestätigt, einen falschen Weg weiterzugehen. »Kugelschreiber«, lautet die erzieherisch wertvolle Antwort der politisch Korrekten, aber natürlich hatte ich keine dabei. Nur diese korrumpierenden Dollarnoten. Und so habe ich wieder mal alles falsch gemacht.
    Über eine Verbindungsstraße sind wir nach Westen auf die » Nr , 3« gefahren, zu unserer Übernachtungsetappe in der Provinzhauptstadt Kampot , abends wie ausgestorben, tagsüber ein quirliger Großmarkt. Nur noch zwanzig Kilometer sind es von hier zur vietnamesischen Grenze, die aber niemand sonderlich ernst nimmt, schon gar nicht, wenn man auf den vielen Verbindungskanälen zum Mekongdelta per Boot unterwegs ist. Munthips einleuchtende Begründung: »Wir sehen alle gleich aus, und Papiere hat ohnehin keiner .«
    Leider hatte ich Anfänger bei der Wahl der Unterkunft dem Reiseführer geglaubt (»gepflegte Zimmer, auf westlichen Geschmack eingestellt«), und so fuhren wir an einem nagelneuen, und deshalb im Führer noch nicht verzeichneten Hotel vorbei und landeten in einer Absteige. Ich habe es nie geleugnet: Ich gehöre nun mal zur warm duschenden Mehrheit, die tagsüber durchaus Strapazen, Klomangel und Verzicht auf das Mittagsschläfchen hinzunehmen bereit ist — sofern es dann nachts ein klimatisiertes, mückenfreies Luxushotel als Ausgleich gibt.
    In Kompot landete ich in einer Art Einzelzelle mit grünen Wänden, Neonlicht und einer Klimaanlage, die dem Geräusch nach die Luft nicht filterte, sondern wie Gesteinsbrocken zermahlte. Aus der Dusche kamen nur einzelne Tropfen, egal, ob man den Wasserhahn auf- oder zudrehte, und der Plastikdeckel des Klos hatte einen Riss, den man aber erst merkte, wenn man sich draufsetzte und dabei hochempfindliche Hautteile einklemmte.
    Da ich zusätzlich in einer grässlichen Kneipe eine grässliche Fischsuppe gegessen hatte, wälzte ich mich sterbenselend im grässlichen Bett und versuchte, meine Schlaflosigkeit durch Fantasien vom ADAC-Rettungshubschrauber zu bekämpfen, der gleich kommen und mich rausholen würde... bis dann endlich, gegen zwei Uhr morgens, das große, erlösende Kotzen kam.
    » I heard’s you’s «, sagte Munthip am Frühstückstisch. » Feel’s better’s now’s ?« Sein Englisch ist ausgezeichnet, aber wenn es um eine delikate Sache geht oder er ganz besonders höflich sein will, hängt er an manche Wörter ein Plural-S dran, warum weiß ich nicht, vielleicht eine kambodschanische Zärtlichkeitsform, So viele S wie diesmal hatte er aber noch nie verwendet. Ich muss also ganz schön laut gewesen sein...
    Das Seaside -Hotel in Sihanoukville , mit Meerblick am schönsten der fünf Strände, verscheuchte die

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