Frauen fragen Feuerstein
an der Haustür.
Und so bietet sich ein absurdes Schauspiel: Sorgfältig wird der Eingang freigekehrt, aber am Straßenrand häuft sich der Müll, der Wind treibt ihn gleich wieder zurück, und nach jedem Regenguss watet man buchstäblich in der Kanalisation. Selbst den Mekong, eben noch eineinhalbtausend Kilometer nördlich als paradiesischen Bergstrom erlebt, erkennt man nicht wieder: Die Ufer knietief vermüllt , das Strauchwerk mit Kunststoffresten verhängt wie die Karikatur eines Verpackungswerkes von Christo.
Natürlich muss man unbedingt den Königspalast gesehen haben, das einzige Staatsmonument, das die Roten Khmer im Vernichtungsrausch Pol Pots unversehrt ließen, dank König Sihanouk, dem alten Schlaufuchs, der sich geschickt durch alle Regimes des Landes durchlavierte, von der Kolonialzeit bis zur heutigen Korruptokratie . Erst Ende 2004 hat er abgedankt, zugunsten seines Sohnes Sihadoni , der aber beim Volk nicht sonderlich populär ist, weil er immer nur in Paris lebte, dort als Balletttänzer Karriere machte und bisher noch keinen Erben produziert hat, obwohl er schon über fünfzig ist. Nun weiß zwar jeder, dass er schwul ist, aber weil sich das in einem Macholand für einen König nicht gehört, würde das niemand offen aussprechen.
Auch der Besuch der Silberpagode, gleich neben dem Königspalast gelegen und vor hundert Jahren als Grabstätte der königlichen Familie angelegt, ist Touristenpflicht, Einmal des puren Prunkes wegen und zweitens zum Staunen, dass es sie überhaupt noch gibt. Denn im Inneren steht eine Buddha-Figur aus 90 Kilo purem Gold, verziert mit 10 000 Diamanten, umkleidet von 5000 Kilo schweren Silberplatten — und nichts davon ist in den Schreckensjahren von Krieg, Mord und Gewalt abhanden gekommen . Das ist tatsächlich ein Wunder, das man gar nicht genug bestaunen kann. Aber irgendwann hatte man genug gestaunt, und danach nichts wie raus aus dieser Stadt.
Cheam Munthip , mein Führer aus den früheren Tagen im Angkor Wat , holte mich am Hotel pünktlich zur großen Abenteuerfahrt an die Küste ab, samt Auto und Fahrer — je nach Komfortbedürfnis und Verhandlungstalent für 40 bis 80 Dollar pro Tag zu haben ( Seiberfahren ist Touristen nicht erlaubt). Für verwöhnte Westler gibt es gar keine andere Möglichkeit, nach Sihanoukville zu gelangen, dem einzigen Meeresresort Kambodschas. Früher bestand eine Flugverbindung, aber die wurde eingestellt, als die Straße begradigt und ausgebaut wurde, als Geschenk des japanischen Volkes. Dass man zu ihrer Benutzung auch touristentaugliche Fahrzeuge braucht, wurde leider bisher vergessen. Es gibt nur Busse ohne Klimaanlage, in denen man sechs Stunden lang mehr über- als nebeneinander sitzt, oder aber die Eisenbahn mit einem einzigen Zug, der an geraden Tagen runter- und an ungeraden wieder zurückfährt, jeweils zwölf Stunden für die 300 Kilometer lange Strecke und angeblich nur erträglich, wenn man den Zugführer besticht, in der Lokomotive sitzen zu dürfen.
Natürlich nahmen wir nicht die Schnellstraße nach Sihanoukville , es sollte ja ein Abenteuersein. Also quälten wir uns über die »Nr. 2« durch endlose Vorstädte direkt in Richtung Süden, dicht bebaut an beiden Seiten, ein einziges Straßendorf über mehr als zwanzig Kilometer. Der Moloch Phnom Penh scheint einen nicht loslassen zu wollen, Wir sind schon eine Stunde unterwegs, bis es allmählich grün wird, aber schon mit Tendenz zum Bräunlichen, denn es ist Februar, die Trockenzeit steht kurz vor dem Höhepunkt.
Ein Schlammpfad nach rechts hätte zum Chieung Ek geführt, dem bekanntesten der »Killing Fields«. Schon auf meiner ersten Reise hatte ich dieses Mahnmal für den wohl schlimmsten Völkermord seit Ende des Zweiten Weltkriegs besucht, als schreckliche Ergänzung dessen, was man bereits in der Hauptstadt im Tuol - Sleng -Museum gesehen hatte, dem Foltergefängnis der Roten Khmer. Fast 20 000 solcher Massengräber wurden bisher in Kambodscha entdeckt, jeder Regenguss wäscht auf den Äckern Knochenteile und Kleidungsfetzen frei. Eineinhalb Millionen Menschen sind durch Hunger, Sklavenarbeit und Mord dem Experiment Pol Pots zum Opfer gefallen, den »neuen Menschen« zu erschaffen, nach kompletter Ausrottung von Bildung, Kunst und Religion, Ein Bauernstaat nach reiner sozialistischer Lehre sollte es werden...
Jeder in Kambodscha ist in irgendeiner Weise mit dieser Vergangenheit verknüpft, auch Munthip , mein Führer, dessen Eltern damals spurlos
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