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Frauen fragen Feuerstein

Frauen fragen Feuerstein

Titel: Frauen fragen Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Massenselbstmord gab
    Eine Schlussbilanz
    (Rede zur Pfefferkuchensitzung des WDR-Rundfunkrates) 17

    Als Mit-Hausherr der Schmidteinander -WG freue ich mich ganz besonders, Sie in unserer Kulisse begrüßen zu dürfen, denn wir sind Ihnen Dank schuldig: Dank, dass Sie uns vier Jahre und fünfzig Sendungen lang — in Ruhe gelassen haben. Trotz aller Erleichterung darüber drängt sich da natürlich die Frage auf: Warum eigentlich? Haben wir was falsch gemacht?
    Kann es sein, dass Sie deshalb so tolerant waren, weilwir uns so ähnlich sind, Schmidteinander und der Rundfunkrat? Sie »beraten und beschließen über alle Fragen von grundsätzlicher Bedeutung«, las ich in der Satzung, Wir auch, denken Sie bloß an unseren Dekoder , an unser Applaus-Schild und vor allem an meine Statistiken! Sie haben Fachleute für alles, Naturschutz, Jugend, Verbraucher, Frauen. Wir auch, nur heißen sie bei uns anders: Peer Theer , unser Umweltexperte, Komtessa Gunilla , die Verbraucherschützerin der gehobenen Gesellschaft, als Jugendexperten Hänschen Klein mit seinen Kindergedanken, und Fozzibär , den Tierschützer. Und nicht zuletzt: Sie machen sich Gedanken, wie der Sender das Geld ausgibt. Wir auch, wie wir am meisten davon abbekommen.
    Gut, es gab da ein paar Beschwerdebriefe an den Intendanten, nicht viele, vielleicht drei oder vier richtig hochkalibrige in unseren vier Jahren, aber jeder einzelne hat die Wirkung eines Supergaus im Atommeiler: »Zur Erledigung an die zuständige Stelle«, schreibt der Intendant nämlich immer unmissverständlich an den Rand, »zur Erledigung« — bei der Mafia wäre das ein eindeutiger Hinweis, bei uns hingegen war es immer ein Fall für den Psychiater: Wie bewältigt man diese Schuld. Mit einem Vordruck darf man so was nie und nimmer abspeisen, schon gar nicht durch eine Rechtfertigung in der Sendung. »Briefgeheimnis !« , schreit dann der zuständige Redakteur, obwohl bereits 17 000 Mitarbeiter das Schreiben auswendig kannten. Meine Damen und Herren, wir sind ja unter uns, und möge es nie an die Öffentlichkeit dringen: Aber mit zehn Beschwerdebriefen an den Intendanten kann man jede Sendereihe lahm legen.
    Eigentlich glaube ich zu wissen, warum Sie uns schonten, liebe Damen und Herren Rundfunkräte: Weil Sie uns verstanden haben. Oft warf man uns vor, wir seien frauenfeindlich, ausländerfeindlich, Gewalt verherrlichend und trügen Unterwäsche aus den Pelzen artengeschützter Tiere. So ein Blödsinn — lassen Sie mich ein paar Beispiele für unsere progressive Gesinnung nennen: Als bei uns zum ersten Mal das Wort »getürkt« fiel, dieses böse, böse, ausländerfeindliche Wort, lief ein Schauer der Schande über unsere Rücken. Zum Glück fiel uns rechtzeitig die Gegenmaßnahme ein: Wer seither in unserer Sendung »getürkt« sagt, muss hinterher sofort über Hamburger oder Wienerle reden, als Rassenpfand und humanitären Ausgleich — das wurde zur festen Regel. Und vor langem schon, noch im Dritten, klebten wir allen Männern im Zuschauerraum einen Schnauzer an, allen Frauen setzten wir ein Kopftuch auf — um zu zeigen: Bei Schmidteinander sind wir alle Ausländer, hier dulden wir kein getürktes Deutschtum.
    Überhaupt, was Frauenfragen betrifft: Beim schändlichen Thema »Busengrapschen« waren wir die Ersten, die vorführten, wie männliche Vorgesetzte nicht nur — wie bisher üblich — ihre Arbeit ohne Einsatz des Hirns bewältigen können, sondern auch ohne Gebrauch der Hände, mit dem Schmidteinander -Schuhkarton, in den jeder WDR-Boss vor Arbeitsbeginn seine Pfoten zu stecken hat, bevor er den Raum einer Kollegin betritt. Und als die verabscheuungswürdigen Blondinenwitze aufkamen, waren wir in Schmidteinander abermals Vorbild: Wir setzten allen Zuschauerinnen blonde Perücken auf, um unsere frauenfreundliche Weltanschauung zu demonstrieren: Wir diskriminieren nicht, für uns sind alle Frauen blond.
    Und das Thema Tiere — verzeihen Sie, dass ich es erst an zweiter Stelle behandle, quotentechnisch steht es eindeutig vor den Frauen: Da war also die Sache mit der Fliegenbefreiung, und ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, dass Sie auf unserer Seite waren, im Gegensatz zur zweitgrößten Moralinstanz des Landes, der Bild-Zeitung. Hier, in diesem Studio, haben wir sie befreit, 10 000 Versuchsfliegen aus den Labors von Bayer, die wohl größte Aktion fürsorglicher Tierschützer in diesem Jahrhundert. Hätten wir ahnen können, dass alle diese Fliegen die Fliege machen

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