Frauen fragen Feuerstein
das Doppelte zahlen müsse. Letzteres leuchtet mir ein, das kenne ich von meiner österreichischen Heimat. Aber da versucht man wenigstens, dabei zu lächeln.
Dafür waren wir umso besser beschützt. An jeder Straßenecke Polizisten, überall Kameras, ein Luftschiff mit elektronischen Überwachungsgeräten stand bereit, um bei Bedarf in Kanalisation und Schlafzimmer zu spähen, und in meinem Hotel kontrollierten bewaffnete Wächter ständig Blumentöpfe und Garten — an sich ein beruhigendes Gefühl, bis wir merkten, dass WIR die Hauptverdächtigen waren, Lag das an der Kamera, die ja in der Tat die hinterhältigste Terrorwaffe der Neuzeit ist? Oder an mir selber, weil ich Osama bin Laden so ähnlich sehe? Jedenfalls sprangen, kaum hatten wir aufgebaut, ständig Wächter aus den Büschen und verwehrten uns den Weg wie damals der Höllenhund Cerberus.
Nichts gegen Drehgenehmigungen. Da es inzwischen mehr Sender als Zuschauer gibt, sind sie unerlässlich, um Chaos zu verhindern, wenn alle gleichzeitig vor Ort sein wollen — das kennen wir von jeder Promihochzeit. Das verstanden wir, und deshalb hatten wir sie alle eingeholt: zwanzig Drehgenehmigungen für siebzehn Orte, samt Beglaubigungsschreiben von Kulturamt und Pressezentrum, dazu die Erlaubnis für »alle öffentlichen Plätze« sowie drei weitere für jene öffentlichen Plätze, die zur Olympia-Zeit aus Sicherheitsgründen keine öffentlichen Plätze mehr waren, wie Stadtgarten, Fährhafen und Syntagma-Platz, wo die Wachsoldaten mit den Bommelchen an den Schuhen so zackig Ballett tanzen. Wir hatten mehr Papiere als ein Botschafter beim Amtsantritt, und wir waren stolz darauf.
Leider nutzten sie nichts.
Eine Drehgenehmigung ist nämlich nur dann eine Drehgenehmigung, so lernten wir, wenn ihre Kopie schon vorher vor Ort liegt und ein Befugter ihre Echtheit bestätigt. Das klingt einfach, setzt aber voraus, dass die Kopie vor Ort auch gefunden wird und der Befugte anwesend ist — beides zusammen ein höchst seltenes Ereignis. Also wurde endlos telefoniert, diskutiert und auf die Uhr geschaut, denn alle Genehmigungen galten nicht nur für einen bestimmten Tag, sondern manche sogar nur für eine bestimmte Uhrzeit, Am kürzesten für die Akropolis, obwohl die schon seit Jahrtausenden auf mich gewartet hat: lausige zwei Stunden. Und selbst das erst mal nur stumm, denn für den O-Ton braucht man eine Extra-Erlaubnis, zu deren Erlangen man die geplanten Texte zur Prüfung vorlegen muss.
Schon ein komisches Gefühl, wenn man auf der Agora, dem Zentrum des antiken Athen, einen Aufsager über die Erfindung von Demokratie und Redefreiheit machen will und vorher seinen Text zur Zensur einreichen muss...
Nun ja, letztendlich hat es trotzdem geklappt, auch wenn ich mir von dem Auf- und Abgehetze auf der Akropolis einen Muskelfaserriss in der rechten Wade zuzog, wofür ich mich furchtbar schämte, weil das ja eigentlich eine typische Sportverletzung ist. Ein Schlaganfall aus Empörung wäre wesentlich intellektueller gewesen.
Dumm gelaufen…
... lautete der Arbeitstitel für eine Fernsehserie über gutes Benehmen, die Feuerstein auf der Grundlage einer Anstandsfibel von »Benimmtante « Ulrike Krages schrieb. So sehr glaubte die Autorin an dieses Projekt, dass sie aus eigenen Mitteln einen Pilotfilm produzieren ließ (Feuerstein hat natürlich kostenlos mitgemacht), doch fand sich dafür kein Abnehmer. Und so kam es, dass ein großartiges Stück Fernsehkunst 16 Geschichte wurde, bevor es selber Geschichte machen konnte.
1. Auf der Straße vor einem Restaurant
Feuerstein (sitzt auf einem hohen Schiedsrichterstuhl wie beim Tennis und kommentiert das Geschehen von oben):
Guten Tag und herzlich willkommen bei der neuesten Folge von »Feuerstein gibt den Ton an« — heute mit dem Thema: »Wie benehme ich mich im Restaurant«...oder besser gesagt: Wie benehmen Sie sich im Restaurant, denn ich weiß ja, wie ich mich im Restaurant zu benehmen habe, sonst würde ich nicht hier sitzen und Ihnen erklären, wie man sich im Restaurant benimmt.
(Ein Wagen fährt vor, darin ein leger-elegant gekleidetes Paar. Der Mann steigt aus, geht ums Auto.)
Die Grundregel lautet: Der Mann betritt als Erster das Lokal. Früher war es Pflicht, dass er seiner Begleiterin die Wagentür öffnet. Heute ist es mehr eine Frage von Abwägung und Instinkt, denn gerade die junge Karrierefrau schätzt es nicht, sich als hilfloses Püppchen in der Gewalt ihres Beschützers zu fühlen.
(Der Mann
Weitere Kostenlose Bücher