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Frauen lügen

Frauen lügen

Titel: Frauen lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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Stichstraße, die zum Watt führt, einzuschwenken.
    »Lassen Sie sich bloß zurückfallen, Mann, sonst merkt die noch was«, nuschelt Fred.
    »Wohl schon am frühen Morgen ein bisschen zu tief ins Glas geschaut?«, erwidert der Fahrer ungerührt, während er auf eine Reihe von unansehnlichen Gebäuden zusteuert, die an Dreißigerjahre-Mietskasernen erinnern. Und als handle es sich bei seiner Fuhre um eine Sightseeingtour, beginnt der Taxifahrer übergangslos zu dozieren.
    »Da drüben geht’s übrigens zu diesem riesigen neuen Hotelkomplex, der nicht alle Einwohner Rantums erfreut. Aber das hier vorn, das ist die Torbogen-Siedlung. Wissen Sie, was es damit auf sich hat? Kann ich Ihnen nämlich erzählen. Hab hier als Kind mit meinen Eltern gewohnt.« Seine ausladende Geste umschließt das Ensemble aus mehrstöckigen schmucklosen Häusern, die blockförmig angeordnet sind. »Nach dem Krieg hat man in diesen Baracken die Ost-Flüchtlinge untergebracht, die Sylt so wie viele andere Regionen auch aufnehmen musste. Sie können sich sicher vorstellen, wie beliebt wir waren. Hänseleien der Kinder in der Schule, und abfällige Blicke für die Mütter beim Einkaufen waren an der Tagesordnung. Klar passten wir nicht in die Gesellschaft der Sylter. Die hielten sich noch jahrzehntelang für was Besseres. Aber nicht wenige von uns sind geblieben, und einige haben sogar ganz gut Karriere gemacht. Hier wohnen tut, glaube ich, aber niemand von uns mehr. Hat wohl keiner richtig gute Erinnerungen an die Zeit. Dabei sind aus einigen Lagerbaracken längst ganz normale Wohnungen geworden, und die sind auch alle vermietet. Es gibt ja immer noch Leute auf der Insel, die es nicht so dicke haben.«
    Fred ist dankbar für den Redestrom des Taxifahrers, so kann er ungestört beobachten, wie Eva Simons ihren Wagen auf dem großen Parkplatz vor dem Zugang zur Siedlung abstellt. Sie steigt aus, ohne sich umzusehen, und steuert mit schnellen Schritten eine nahe gelegene Eingangstür an. Als sie einen Schlüssel aus ihrer Tasche holt, schiebt Fred dem immer noch redenden Fahrer einen Hundert-Euro-Schein nach vorn.
    »Warten Sie noch eine Stunde hier. Wenn ich dann nicht wieder da bin, können Sie meinetwegen fahren.«
    »Okay. Und viel Glück – bei was auch immer Sie vorhaben sollten!«
    »Danke. Kann’s brauchen.«
    Als Fred an der Haustür ankommt, ist die längst ins Schloss gefallen. Aber auf dem Klingelschild steht tatsächlich der Name »Eva Simons«. Sie wohnt ganz oben in der dritten Etage. Während Fred Hübner noch versucht, durch das verschmierte Glasfenster der Eingangstür in den dämmrigen Hausflur zu spähen, tippt ihm von hinten ein Mann auf die Schultern.
    »Wenn Sie mich eben mal ranlassen, dann lass ich Sie dafür rein.« Meckernd lacht er über seinen eigenen Kalauer. »Dann müssen Sie auch nicht so blöd durchs Bullauge linsen. Suchen Sie wen?«
    »Nein, nein. Ich kann da drüben vielleicht eine Wohnung kriegen – und ich wollte mal sehen, wie es sich hier so lebt.«
    »Gibt Schlimmeres. Die Mieter sind ruhig und unauffällig. Bis auf die beiden Motorradfahrer aus dem Mittelgebäude da hinten. Die starten gern nachts noch zu ’ner Sauftour. Und wenn deren Maschinen dann losbrüllen, fällt die ganze Nachbarschaft aus den Betten.«
    »Na ja, einer stört immer. Was dagegen, wenn ich bis nach oben gehe? Wegen der Sauberkeit und dem Zustand der Treppen und so.«
    »Machen Sie nur. Ich bin eh schon da. So eine Parterrewohnung hat auch ihre Vorteile. Kommt man nicht so schnell ins Schnaufen. Schönen Tag noch.«
    Schwankend erklimmt Fred Hübner die Treppen. Je höher er steigt, desto unsicherer wird er. Wie war noch mal die logische Abfolge der Gedankenkette, die ihn hierhergeführt hat? Noch wartet unten das Taxi und im nächsten Supermarkt ganz sicher eine große Flasche Cognac. In Panik umklammert Freds Hand das Treppengeländer. Jetzt ist es geschehen. Zwanzig Monate hat er durchgehalten und nun das. Er will nicht zurück, er will nicht wieder nach da draußen und sich der Versuchung durch den Alkohol stellen. Er will seine Mission zu Ende führen, auch wenn ihm im Moment völlig entfallen ist, worin diese Mission eigentlich besteht. Es wird ihm wieder einfallen, das Glück muss ihm doch hold sein, es kann einfach nicht sein, dass er gerade jetzt alles vermasselt. Mit lauten Schritten stapft er die letzten Stufen hinauf. Ein Klingelschild aus Messing leuchtet ihm entgegen. E. Simons. Die Buchstaben verschwimmen für

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