Frauen lügen
Bastian Kreuzers Nummer. Er vertraut darauf, dass ein Gespräch mit dem durch und durch handfesten Kollegen ihn am schnellsten und gründlichsten aus den Fängen dieser fremden faszinierenden Welt befreien wird.
Sonntag, 21 . August, 12.42 Uhr,
Campingplatz, Wenningstedt
Als auf dem Display von Bastian Kreuzers Handy Sven Winterbergs Name erscheint, hat Bastian gerade die Sanitärräume des Campingplatzes verlassen. Er nimmt Zahnbürste und Zahnpasta in die linke Hand und mit der rechten den Anruf entgegen.
»Und? Was macht die Kunst?«, beginnt Bastian betont launig die Unterhaltung. Er hat keine Lust, Sven am Telefon von seinem Streit mit Silja zu erzählen und kann nicht ahnen, wie sehr er mit seinem Spruch den Nagel auf den Kopf trifft.
»Hör mir bloß auf mit Kunst und solchem Zeug. Ich war gerade im Theater, und mir schwirrt immer noch der Kopf, kann ich dir sagen. Dass diese Schauspieler über kurz oder lang nicht alle wahnsinnig werden, ist ein kleines Wunder.«
»Vielleicht sind sie’s ja und können es nur besser verbergen als andere. Ist schließlich ihr Job.«
»Vermutlich hast du recht. Jedenfalls ist es fast nicht möglich abzuschätzen, wann diese Nussbaum die Wahrheit sagt und wann sie lügt. Aber eins ist klar, sie wirkt ziemlich fahrig und irgendwie aufgeregt. Ich glaube nicht, dass das ihr Normalzustand ist.«
»Und hast du sie nach dem Handy gefragt?«
Bastian hat jetzt sein Zelt erreicht, bückt sich und wirft Zahnbürste und Zahnpasta auf den Schlafsack. Anschließend zieht er den Reißverschluss zu und verursacht dabei ein Geräusch, das offenbar bis zu Sven nach Hamburg dringt.
»Was ist das denn? Gehst du Silja jetzt schon an die Wäsche, während du mit mir telefonierst?«
»Red nicht so einen Stuss. Was ist mit dem Handy?«, kontert Bastian missmutig.
»Die Nussbaum beharrt darauf, dass sie das Handy an der Außenalster beim Rollenlernen auf einer Parkbank liegen gelassen hat. Und so wirr, wie die im Moment ist, wäre das auch durchaus vorstellbar.«
»Dann hat sie also wirklich keine Ahnung, wie das Gerät in die Handtasche der Michelsen gekommen ist?«
»Sie behauptet: nein. Und sie will auch das Ehepaar Michelsen nie gekannt haben. Allerdings gibt es ein Detail, das merkwürdig ist. Du weißt ja von der Hotelsuite im
Hampton
, die sie zeitweise nutzt. Als ich ihr sagte, dass dieses Hotel Jonas Michelsen gehört, reagierte sie fast verstört. Dabei ist das an sich doch eine ganz harmlose Sache. Wenn sie wirklich in die ganze Sache nicht verwickelt wäre, dann gäbe es für diese Reaktion keinen Grund.«
»Du meinst, sie hat ein Verhältnis mit Michelsen und darum die Suite gemietet?«
»Zum Beispiel. Beide hätten gute Gründe für jede Form von Geheimhaltung. Und Marie Nussbaum hätte damit auch ein Mordmotiv. Vielleicht war sie mit der ewigen Heimlichtuerei doch nicht so glücklich und wollte die Ehefrau aus dem Weg räumen.«
»Meinst du?« Nachdenklich geht Bastian Kreuzer zwischen den Zelten und Wohnwagen hindurch auf den Ausgang des Campingplatzes zu. Er spürt, wie sein Adrenalinspiegel steigt. Jetzt kommt ihm auch der zweite Kollege noch mit der Frauenthese.
»Von Jonas Michelsen könnte die Nussbaum sogar von der Existenz der Waffe in Susannes Handtasche erfahren haben«, führt Sven Winterberg seinen Gedanken weiter.
»Gut kombiniert, Watson«, lobt Bastian fast gegen seinen Willen.
»Ja, leider hat das Ganze einen Haken. Ihr Alibi ist absolut wasserfest.«
»Bist du sicher? Lass mal hören.«
»Sie hat auf der Bühne gestanden. Spätestens anderthalb Stunden nach dem Mord haben Hunderte von Theaterbesuchern sie als Medea gesehen. Ich hab’s noch nicht überprüft, das mache ich gleich noch. Aber ich gehe schon mal davon aus, dass die Vorstellung nicht ausgefallen ist und sie sich auch nicht hat vertreten lassen.«
»Schlecht für uns, gut für sie. In anderthalb Stunden schafft man es höchstens mit einem Privatflugzeug von Sylt nach Hamburg, und das ist wahrscheinlich ein bisschen weit hergeholt.«
»Du kannst die Startzeiten ja sicherheitshalber am Flughafen checken lassen, aber ich denke mal, dass wir diese Nussbaum von unserer Liste streichen müssen. Irgendwie steckt in dieser ganzen Sache der Wurm.«
»Nur Geduld, wir klären den Fall schon noch. Mein Anruf bei der Immobilienfirma vom Marco-Polo-Tower war übrigens erfolgreich. Michelsen hat dort eine Wohnung gekauft und lässt sie gerade herrichten. Man kann sich allerdings nicht daran
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