Frauen lügen
Jahren für Sie arbeitet, oder nicht?«
Kraftlos nickt Jonas Michelsen mit dem Kopf. Sven Winterberg mustert ihn aufmerksam. Er wartet auf eine Entgegnung, eine Verteidigung oder auch eine längst überfällige Erklärung, aber es kommt nichts.
»Herr Michelsen, ich würde jetzt gern einmal den Stand unserer Ermittlungen zusammenfassen – jedenfalls was Ihre Person betrifft. Und ich muss Sie vorher warnen, es wird nicht besonders schonend ausfallen.«
Mit einer müden Handbewegung fordert der Hotelier den Kommissar zum Reden auf.
»Beginnen wir mit Ihrem fehlenden Alibi für den Zeitpunkt der Tat. Ab Freitagnachmittag 14 Uhr bis zum Abend gegen 23 Uhr konnten oder wollten Sie uns bisher niemanden nennen, der Ihren Aufenthaltsort bezeugen kann. Es wäre also theoretisch durchaus möglich gewesen, dass Sie mit Ihrem Wagen nach Sylt und wieder zurück gefahren sind, zumal sich ein sehr plausibles Motiv für eine mögliche Gewalttat an Ihrer Gattin anbietet. Eifersucht ist ein starkes Gefühl, und Ihre Ehefrau hatte gerade ein Techtelmechtel mit einem alten Bekannten angefangen. Ein Typ, den sie noch aus den Zeiten vor ihrer Eheschließung kannte. Das wird Ihnen doch nicht gleichgültig gewesen sein.«
Jonas Michelsen reibt sich mit beiden Händen gleichzeitig über die Wangen, es wirkt, als würde er großflächig Rasierwasser verstreichen. Als er die Hände wieder aus dem Gesicht nimmt, sind seine Zähne so fest zusammengepresst, dass die Kieferknochen hervortreten. Der Hotelier räuspert sich kurz, bevor er antwortet.
»Sagen Sie mal ehrlich: Sehe ich aus wie ein Mörder? Wenn Sie mir schon nicht glauben wollen, dass ich von dieser verdammten Affäre nichts geahnt habe, dann müssen Sie doch wenigstens einsehen, dass es in meinen Kreisen für solche Fälle andere Lösungen gibt als Mord. Himmelherrgottnochmal, wir sind hier doch nicht im Slum!«
Jonas Michelsens Stimme steigert sich mit jedem Wort zu einer bedrohlichen Lautstärke.
»Bitte beruhigen Sie sich, Herr Michelsen. Ich will Ihnen nur begreiflich machen, wie Sie in unseren Augen momentan dastehen. Meine Kollegen und ich haben alle das Gefühl, dass Sie uns etwas verheimlichen. Und es wäre außerordentlich hilfreich, wenn Sie einsehen würden, dass es dringend geboten ist, mit der ganzen Wahrheit herauszurücken.
Aber ich bin noch nicht fertig. Sie hatten nämlich nicht nur die Gelegenheit und das Motiv für die Tat, sondern auch die Mittel. Ihre Frau ist schließlich mit genau der Waffe erschossen worden, die Sie ihr zur Verfügung gestellt haben. Und zwar illegal, denn Susanne Michelsen hatte keinen Waffenschein, wie Sie sehr wohl wussten. Da dies natürlich Ihrer Frau auch bewusst war, wird sie vermutlich niemandem von der Waffe in ihrer Handtasche erzählt haben. Ihr Mörder scheint sich allerdings darauf verlassen zu haben, dass er die Tatwaffe nicht mitzubringen braucht.
Außerdem – und das ist das letzte, wenn auch nicht das unwichtigste Indiz, das gegen Sie spricht: Susanne Michelsen muss ihren Mörder gekannt haben – und zwar so gut, dass sie ihn leicht bekleidet in dem Schlafzimmer ihres Liebhabers empfangen hat. Sie ist aus nächster Nähe erschossen worden, ohne dass es auch nur ansatzweise zu einem Kampf gekommen wäre. Es gibt nicht den Hauch einer Spur von Gegenwehr, so viel hat der Rechtsmediziner bereits festgestellt.
Dies alles spricht eine deutliche Sprache. Glauben Sie mir, dass wir wirklich selten eine so starke Häufung von eindeutigen Indizien haben, die auf ein und dieselbe Person hinweisen. Es wäre also dringend geboten, wenn Sie sich endlich äußern würden.«
Auffordernd blickt Sven Winterberg dem Hotelier ins Gesicht. Doch wenn er späte Einsicht oder gar ein Geständnis erwartet haben sollte, so sieht er sich jetzt getäuscht. Michelsens Miene ist kampfbereit und wirkt dabei sehr siegessicher.
»Sie sind fertig mit Ihren Ausführungen, nehme ich an. Und ich muss Sie leider enttäuschen, denn ich werde mich in keinem Detail dazu äußern. Das werde ich meinem Anwalt überlassen. Lassen Sie mich abschließend nur Folgendes bemerken: Sie irren sich. Sie irren sich sogar ganz gewaltig. Ich habe meine Frau nicht umgebracht. Und niemand, und Sie schon gar nicht, wird mir das in die Schuhe schieben können. Und ich sehe auch nicht ein, warum ich Ihre Arbeit machen soll. Ich bleibe dabei, dass mir völlig schleierhaft ist, wie dieses Handy in meine Jackentasche gekommen sein soll. Die Schauspielerin Marie
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