Frauen lügen
»Aber einige andere Gewerke, die auch im Hotel tätig waren, die haben da schon mitgearbeitet, das meinen Sie doch, oder?«
»Wenn Se dat so verstehn wollen, Frau Kommissar. Aber eck will Ihnen nüscht vertellt ham …«
»Ham Se ja auch nicht, da seien Se man unbesorgt, Hansen. Eck wer mich mal umsehn bei dem Dornfeldt …« Es fällt Silja unerwartet schwer, in das Platt ihrer Kindertage zu verfallen, obwohl das Signal deutlich wohlwollend aufgenommen wird. Kurz überlegt Silja, ob sie noch weitere Fragen anschließen soll, doch sie entscheidet sich dagegen. »Eck muss wieter, Hansen, hev noch viel zu tun. Schön Tag noch und Moin, Moin.«
Silja erhebt sich schnell und verlässt das Büro. Ein etwas verdutzter, aber auch sichtlich erleichterter Reetdachdecker winkt ihr hinterher.
Während Silja die Tür des Bretterverschlags hinter sich schließt, beginnt das Telefon des Dachdeckers zu klingeln. Die Kommissarin geht mit festen Schritten durch die Halle bis zum Eingang. Dort streift sie schnell die Slipper von den Füßen und huscht über den Betonboden zurück zu dem Bretterverschlag. Die Stimme Niklas Hansens ist von hier draußen leise, aber deutlich zu verstehen.
»Eck hev her nich vertellt, dat du die Elektrik inner Wohnung verlegt, aver die Rechnung aufes Hotel geschrieben hast. Geht se ja nu nüscht an. Oder hast
du
die Bude etwa angesteckt?«
Das laute Lachen Niklas Hansens, in dem sich die Erleichterung über den überstandenen Besuch der Kommissarin Bahn bricht, nutzt Silja, um leichtfüßig zum Eingangstor zurückzulaufen und die Schuhe wieder überzustreifen. Dann schlendert sie gemessenen Schrittes zu ihrem Wagen. Bevor sie einsteigt, dreht sie sich zu dem Fenster des Büroverschlages um. Wie sie es fast schon erwartet hat, ist Niklas Hansen dahinter zu erkennen. Er hält immer noch den Telefonhörer ans Ohr gedrückt, scheint aber seine Aufmerksamkeit völlig auf ihren Abgang zu richten. Silja Blanck winkt dem Reetdachdecker kurz zu, bevor sie in ihr Auto steigt.
Niklas Hansen erwidert ihren Gruß nicht.
Montag, 22 . August, 11.57 Uhr,
Dorfteich, Wenningstedt
»Schwesternwohnheim Sankt Gertraudenstift, Mai- ke Großmann am Apparat, was kann ich für Sie tun?« Die Frau am anderen Ende der Leitung klingt jung und fröhlich. Fred Hübner räuspert sich, legt besonders viel Vorsicht und Zögerlichkeit in seinen Tonfall und beginnt mit brüchiger Stimme zu reden.
»Guten Tag, Fräulein Großmann. Lothar Werner mein Name, ich bin Rentner und wohne bei Ihnen um die Ecke und habe eine vielleicht ungewöhnliche Bitte an Sie.«
»Ja?«
»Bei Ihnen wohnt doch so eine zuvorkommende und hilfsbereite junge Person. Sie ist Schwesternschülerin, hat sie mir erzählt, aber ihren Namen nicht verraten. Und dabei hat sie mir einen so großen Gefallen getan. Sie müssen wissen, vorgestern habe ich auf der Straße meine Börse verloren. Es war alles drin, die Bankkarte, mein Ausweis und ziemlich viel Geld noch dazu. Und jetzt stellen Sie sich vor: Noch bevor ich das bemerkt hatte, zum Glück, denn sonst hätte ich mich sicher grässlich aufgeregt und das wäre meinem Blutdruck ganz bestimmt nicht gut bekommen, also noch davor klingelt es an meiner Tür, und die junge Dame steht vor mir, hält mir meine Börse entgegen und sagt: ›Sie müssen Herr Werner sein. Sehen Sie mal, was ich gefunden habe.‹ Das war eine Freude, nein, ich muss mich korrigieren, es war erst eine Überraschung und dann eine Freude. Meine Frau wollte die Deern gleich zum Tee bitten, aber sie sagte, sie habe keine Zeit und eine Belohnung wollte sie auch nicht annehmen.«
»Das ist ja schön für Sie. Und wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Die Ungeduld in Maike Großmanns Stimme ist nicht zu überhören. Schnell liefert Fred eine Beschreibung der mysteriösen Freundin Jonas Michelsens, immer darauf bedacht, die Umständlichkeit des Alters bei seiner Wortwahl gehörig zu berücksichtigen.
»Sie meinen bestimmt Valerie Simons, sie ist die Einzige, die so langes dunkles Haar hat, die meisten unserer Mädchen sind eher blond«, unterbricht ihn Maike Großmann nach einigen Sätzen ungeduldig.
»Valerie, das ist aber ein schöner Name, und er passt so gut zu der Deern. Sie wissen nicht zufällig, was die Lieblingsblumen von Fräulein Simons sind, oder?«
»Nein, weiß ich nicht.«
»Aber wenn ich einen schönen Sommerstrauß mit ihrem Namen bei Ihnen abgebe, dann stellen Sie ihn ihr schon aufs Zimmer, oder?«
»Selbstverständlich
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