Frauen lügen
hinuntergefallen.«
»Sondern?«
»Er ist niedergeschlagen worden. Vorgestern bei einem Strandspaziergang.«
»Wenn er Anzeige erstattet hätte, wüssten wir davon.«
»Hat er nicht. Er wollte jede Öffentlichkeit vermeiden.«
»Spinnt der? Wir sind doch nicht die
Bild
-Zeitung.«
»Du weißt doch, wie viel Wert Dornfeldt auf sein Saubermann-Image legt. Viel wichtiger ist für uns aber die Frage, wer das war. Dornfeldt sagt natürlich, er habe keine Ahnung.«
Nachdenklich blickt Silja über den sonnenbeschienenen Teich, dessen Wasserfläche durch die Fontäne in regelmäßigen kreisförmigen Bewegungen gehalten wird.
»Ich kenne jemanden, der gute Gründe hat, Dornfeldt eins auszuwischen. Ich habe doch mit allen Handwerkern gesprochen, die beim Neubau des Hotelspeisesaals Aufträge hatten. Dabei hat mich eine Kollegin im Rahmen der Amtshilfe vom Finanzamt unterstützt. Sie hat die Abrechnungen der Betriebe überprüft und ziemlich schnell herausgefunden, dass der Parkettleger eine, sagen wir mal, recht eigenwillige Auffassung von Materialbestellungen hat.«
»Was heißt das im Klartext?«
»Er hat im letzten Jahr laut Steuererklärung nur knapp 1500 qm Parkett verlegt. Bestellt hatte er aber über 5000 qm. Und seine Lager waren leer.«
»Also Schwarzarbeit?«
»Was sonst? Wahrscheinlich auch in der Privatwohnung von diesem Dornfeldt. Das Finanzamt hat ihn jedenfalls ganz schön am Haken. Und natürlich gibt er Dornfeldt die Schuld, denn ohne den Hotelauftrag, den er übrigens ordnungsgemäß abgerechnet hat, wären wir nicht auf ihn gestoßen.«
»Sollen wir nicht gleich mal sein Alibi überprüfen? Die Angaben von Dornfeldt zum Zeitpunkt des Überfalls sind immerhin präzise: Am Montagabend zwischen sieben und halb acht war er am Strand von Rantum, als er von hinten niedergeschlagen wurde. Er fiel, war wohl auch kurz ohnmächtig, ist aber wenig später wieder zu sich gekommen. Da war natürlich niemand mehr zu sehen, und Zeugen gab es auch nicht.«
»Na, dann wissen wir ja, wonach wir fragen müssen«, antwortet Silja und legt einen Schritt zu.
Mittwoch, 24 . August, 11.21 Uhr,
Hotel
Fährhaus Sylt
, Munkmarsch
»Und hier findet also die Trauerfeier für Susanne Michelsen statt?«
Bastian Kreuzer nimmt die letzte Treppenstufe und blickt sich zweifelnd auf der Hotelterrasse um. Etwa ein Drittel der Tische ist besetzt. Einige ältere Paare nippen an ihrem Tee, zwei Damengrüppchen und eine Familie sitzen vor einem üppigen Frühstück. Antonia Dornfeldt lehnt noch immer rauchend an der geschnitzten Holzsäule.
»Natürlich nicht. Ich logiere hier. Und jetzt ziehe ich mich um. Sie können selbstverständlich gern hier warten und mir anschließend zurück nach Kampen folgen.«
Die Blondine zieht noch einmal an ihrer Zigarette und drückt sie anschließend in dem Aschenbecher auf dem nächsten Tisch aus. Bevor sie sich abwenden kann, erklärt Bastian mit entschiedener Stimme: »Ich würde gern vorher noch zwei Minuten Ihrer kostbaren Zeit beanspruchen. Erstens: Sie wissen vermutlich, dass ein Wort von mir genügt, damit Sie den Führerschein verlieren.«
»Seien Sie nicht so humorlos. Wir wollten es doch beide«, antwortet sie anzüglich.
Bastian verzieht nur sehr kurz das Gesicht, bevor er weiterredet.
»Zweitens, und das frage ich jetzt nicht aus Spaß: In welchem Verhältnis standen Sie zu Susanne Michelsen?«
»Ich kannte sie nicht. Nie getroffen. Allerdings war sie mir auch aus der Ferne herzlich unsympathisch. Genügt Ihnen das als Mordmotiv?«
»Sie finden sich vielleicht sehr komisch, aber diese Einschätzung kann ich nur bedingt teilen. Nächste Frage: Wie stehen Sie zu Jonas Michelsen?«
»Was wollen Sie denn hören?«
»Was steht zur Auswahl?«
»Mal nachdenken: Wir sind alte Freunde? Ich schlafe mit ihm? Er ist verrückt nach mir?«
»So etwas wie ›Ich liebe ihn‹ haben Sie nicht im Angebot?«
»Das haben jetzt Sie gesagt.«
»Das ist keine Antwort.«
»Sehe ich so aus, als würde ich mit jedem Beliebigen über meine Gefühle reden?«
»Haben Sie Gefühle?«
»Es ist wirklich interessant, mit Ihnen zu plaudern, Herr Kommissar, aber leider muss ich Sie jetzt verlassen. Ich will mich noch umziehen und möchte den trauernden Witwer nicht unnötig warten lassen.«
»Ich hätte geschworen, das sei Ihre Spezialität.«
»Das Warten lassen?« Antonia Dornfeldt lacht eine perlende Koloratur. »Glauben Sie mir, wer mich kennt, würde auf meiner Spezialitätenliste durchaus
Weitere Kostenlose Bücher