Frauen lügen
Sven mit harmloser Stimme, als verkünde er eine längst bekannte Tatsache.
»Woher wissen Sie das?«
Gert Biebers Stimme und sein Gesichtsausdruck zeigen völlige Verblüffung.
»Sie geben es also zu?« Silja Blanck lächelt plötzlich entwaffnend freundlich.
»Äh, ja. Wenn Sie es ohnehin schon wissen. Ich war sauer, ich wollte eigentlich mit diesem Dornfeldt reden, aber dann kochte die Wut so in mir hoch und da hab ich ihm eins übergebraten. War aber harmlos. Der ist zwar umgekippt, aber nach ein paar Minuten wieder aufgestanden. Das habe ich beobachtet. Hätte ihm sonst geholfen, Ehrensache.«
»Ihnen ist schon klar, dass das ein Fall von Körperverletzung ist? Dafür können Sie locker in den Knast wandern, Bieber«, setzt Sven Winterberg eindringlich nach.
»Ja, äh, sorry. Ich würde mich auch bei dem Dornfeldt entschuldigen. War wirklich nicht so gemeint. Ich war eben sauer auf den. Aber ich würde niemals jemanden umbringen. Das ist doch ganz was anderes.«
»Das sagen alle.«
»Und jetzt? Bin ich jetzt festgenommen?«
»Herr Bieber!« Mit ernstem Blick baut sich Silja Blanck vor dem Parkettleger auf. »Sie haben unglaubliches Glück. Albert Dornfeldt hat darauf verzichtet, Anzeige zu erstatten. Und wir verzichten darauf, Sie festzunehmen. Zunächst. Sie dürfen aber die Insel nicht verlassen und müssen sich zu unserer Verfügung halten. Ist das klar?«
»Ja, völlig klar. Natürlich. Und danke auch. Obwohl: Ich hab diese Michelsen wirklich nicht umgebracht, das müssen Sie mir schon glauben.«
»Wir überlegen es uns, Herr Bieber. Und Ihnen einen schönen Tag noch – trotzdem.«
Als Sven für Silja die Ladentür aufhält, hat er Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. Mit schnellen Schritten gehen beide zu ihrem Wagen. Doch erst als sie gestartet und um die nächste Ecke gebogen sind, prusten sie los.
»War eine super Idee von dir, Silja, das mit dem Mordvorwurf. So schnell haben wir noch nie ein Geständnis gekriegt. Der war ja völlig paralysiert.«
»Das hat gut geklappt, stimmt. Aber es hilft uns nicht wirklich weiter. Denn dass der Typ die Hotelerbin umgebracht hat, das glaubt doch keiner, oder?«
»Nee, das wäre zu weit hergeholt. Aber immerhin können wir Bastian jetzt ein Ergebnis wegen des Überfalls am Strand präsentieren. Der geschätzte Kollege Kreuzer ist nämlich in ziemlich übler Laune. Ich weiß ja nicht, wann du zum letzten Mal mit ihm geredet hast, aber er macht heute unter Garantie jeden platt, der ihm im Weg ist.«
»War eure Besprechung vorhin so schlimm?«
»Schlimm ist gar kein Ausdruck. Bastian sah aus wie eine Bulldogge. Und er hat sich auch so benommen. Ich habe keine Ahnung, was die Bispingen ihm vorhin am Telefon beim Rapport nach der Beerdigung erzählt hat, aber die Frau Staatsanwältin ist ja bekannt für ihre deutlichen Worte. Und dann muss dieses blonde Gift, diese Schwester vom Dornfeldt …«
»… Sex on the Rocks, ich erinnere mich …«
»Genau, also die muss Bastian so was von angemacht haben, dass er schier ausgerastet ist, als er von ihr redete.«
»Angemacht?«
Obwohl sie es gern vermieden hätte, klingt Siljas Stimme eher ängstlich als überrascht. Doch jetzt ist es heraus und nicht mehr zu ändern. Zum Glück ist Sven so in seine Schilderung vertieft, dass er nicht auf Siljas Tonfall achtet.
»Die ist ihm so richtig in die Parade gefahren. Das muss ein Teufelsweib sein, Mannomann.«
»Geht’s ein bisschen sachlicher, wenn ich bitten darf?«
Mit bewährt coolem Gesichtsausdruck mustert Silja nun den Kollegen und lässt sich in aller Ausführlichkeit erklären, wie diese Frau es geschafft hat, Bastian mitsamt seinen Machoallüren gründlich bloßzustellen.
Donnerstag, 25 . August, 8.20 Uhr,
Feinkost Meyer, Wenningstedt
In dem weitläufigen Eingangsbereich des Wenningstedter Supermarktes gibt es drei unabhängige Verkaufsflächen. Zeitungen, Fisch und Backwaren. Zielstrebig steuert Fred auf den Backstand zu, der eine ganze Querseite einnimmt und üppig mit Broten, Brötchen, Kuchen und Torten ausgestattet ist. Trotz der frühen Stunde hat sich bereits eine kleine Schlange am Tresen gebildet, die aber zügig von den drei Verkäuferinnen bedient wird. Nachdem Fred das Vollkornbrot und die beiden Croissants gekauft hat, holt er sich am Fischstand, der zu dieser Zeit noch ziemlich leer ist, eine große Portion Hering in Sahnesoße fürs Abendessen.
Mit dem Aufstehen am ersten Tag nach Sannes Beerdigung hat Fred Hübner beschlossen,
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