Frauen lügen
um den Hals gelegt. Heute Abend zieht sie sie zu.«
»Es sei denn?«
»Wir verhaften Michelsen.«
»Na, dann tun wir das doch. Verdachtsmomente gibt’s genug. Wir können ihn ja erst einmal für 48 Stunden hier einbuchten. Verdunkelungsgefahr, Fluchtgefahr, was weiß ich.«
Bastian schluckt den Einwand hinunter, der ihm auf der Zunge liegt, und wuchtet sich stattdessen aus dem Schreibtischstuhl hoch. »Okay, dann mal los.«
»Nur wir beide?«
»Nur wir beide. Die Prinzessin Tausendschön lassen wir einfach im Schloss zurück. Soll sie doch Akten fressen, bis ihr das Kotzen kommt.«
»O Mann, ihr müsst euch aber mächtig gekracht haben«, murmelt Sven, während er nach dem Nötigsten greift, sich zur Tür wendet und sie mit einem energischen Stoß öffnet.
Donnerstag, 25 . August, 9.05 Uhr,
Haus am Dorfteich, Wenningstedt
Noch hat Fred seine Croissants nicht angerührt. Nur die Zähne hat er sich geputzt, anschließend einen starken Kaffee aufgesetzt und gleich seinen Rechner hochgefahren. Die Zeitungslektüre hat den Adrenalinausstoß des Journalisten nicht unerheblich angeheizt. Diese Flaschen von der Kripo scheinen keine Spur zu haben und nur orientierungslos rumzueiern. Wenn selbst die
Bild
mehr über den Fall herausbekommen kann, dann sollte es ihm erst recht gelingen.
Vor Fred Hübner liegt der Zettel mit den drei Namen.
Maike Großmann: die freundliche Dame am Telefon des Gertraudenstifts.
Lothar Werner: der vorgebliche Name des alten Herrn, der schusselig genug war, seine Geldbörse zu verlieren und es noch nicht einmal zu bemerken.
Valerie Simons: die blutjunge Bekanntschaft Jonas Michelsens, die vorgestern um seine Kampener Villa herumgeschlichen ist.
Fred schnappt sich seinen Laptop, öffnet das Suchprogramm und probiert einige Kombinationen aus. Michelsen/Simons ist eine davon. Simons/Kampen und Simons/Sylt sind weitere. Die Ergebnisse machen Fred nicht gerade Mut. Er muss den Fokus erweitern, aber wie? Eingefahrene Gedankenbahnen verlassen, ermuntert er sich. Probier einfach mal was Unwahrscheinliches aus. Aber auch die Kombination Susanne Michelsen/Valerie Simons ergibt keine relevanten Treffer. Ebenso wenig wie das Paar Valerie Simons/Antonia Dornfeldt. Also noch weiter ausholen. Aber in welche Richtung? Fred beginnt zu assoziieren. Mord, Pistole, Brand, Hotel. Doch auch die Kombi Simons/Sig Sauer ist eine Niete. Was bleibt? Simons/
Friesenperle
vielleicht. Lustlos gibt Fred die Stichworte ein. Zweimal vertippt er sich und überlegt ernsthaft, ob er den Versuch nicht abbrechen soll. Aber er hält durch – und siehe da, diesmal hat er einen Treffer gelandet. Nicht, dass das Gefundene sonderlich vielversprechend wäre, aber es ist immerhin keine komplette Niete.
Unter den Angestellten des Hotels ist eine Eva Simons aufgeführt. Sie ist in leitender Position für die Buchhaltung zuständig, ein Foto findet sich leider nicht auf der Website. Dafür ergibt Freds nächste Recherche im Online-Telefonbuch, dass auf Sylt kein einziger Haushalt auf diesen Namen registriert ist, was natürlich wenig heißt, denn bestimmt jeder Zehnte lässt sich gar nicht erst ins öffentliche Telefonbuch eintragen. Und hat die junge Valerie nicht erwähnt, ihre Mutter wohne auf der Insel? Vielleicht findet sich ja hier ein Zusammenhang zwischen dem Hotel, dem Mädchen und dem Mord.
Fred ist verzweifelt genug, um sich an diesem Strohhalm festzuklammern.
Er zwingt sich dazu, eines der beiden Croissants zu essen und holt anschließend sein Rennrad aus dem Abstellraum. Die Fahrt nach Rantum zum Hotel
Friesenperle
wird ihm guttun. Seit gestern ist das Wetter stabil, nicht zu heiß, aber sonnig und windstill, ganz als habe die Beerdigung Susannes wenigstens an dieser Front für Ruhe gesorgt. Fred schämt sich ob des zynischen Gedankens und kann doch nicht verhindern, dass er neugierig und fast freudig gespannt seiner Recherche entgegenfiebert. Er hatte schon fast vergessen, wie es ist, ein konkretes Ziel vor Augen zu haben.
Donnerstag, 25 . August, 9.10 Uhr,
Kriminalkommissariat Westerland
Mit klopfendem Herzen steht Silja am Waschbecken der Damentoilette. Minutenlang hat sie sich eiskaltes Wasser über die Handgelenke laufen lassen, bis die Haut weh tat. Sie hat kühle Tücher an ihre Schläfen gedrückt und sich dabei insgeheim gut zugeredet. Sie hat alles getan, um sich zu beruhigen. Aber die Wut sitzt tief, und der Drang danach, ins Büro zurückzustürmen und diesem ignoranten Chauvi Bastian
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