Frauen rächen besser: Roman (German Edition)
wegen eines schweren Unfalls, eines Blinddarmdurchbruchs oder eines Erdbebens der Stärke sieben auf der Richterskala zehn Minuten zu spät kommt, mit beleidigter Mine ein: »Immer das Gleiche mit dir, langsam habe ich die Warterei satt!« unter die Nase reibt.
Und für mich ist das besonders schlimm, denn ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, und bei so etwas könnte ich regelrecht Amok laufen. Wobei das ja auch wieder nicht gerecht wäre, denn dann müsste auch der eine oder andere Unschuldige dran glauben. Aber wenigstens den Kerl ordentlich zur Schnecke zu machen, der einen derart auf die Palme bringt, das wäre meiner Meinung nach das Mindeste, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun.
Doch jetzt musste ich meine Empörung hinunterschlucken, so schwer mir das auch fiel.
»Heike, was ist?«, fragte Robert dann auch noch, als ich nicht schnell genug antwortete.
»Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«, fragte ich und bemühte mich, amüsiert zu klingen.
»Eifersüchtig? Ich? Lächerlich! Oder hätte ich Grund dazu?«
Jetzt reichte es mir, und bei aller erforderlichen List musste ich ihm ganz einfach einen Schuss vor den Bug verpassen.
»Jetzt hör mir mal zu, mein Lieber: Weißt du, was eine Außenprojektion ist?«
Wusste er natürlich nicht, wie er schweigend zugab.
»Eine Außenprojektion ist, wenn man einem anderen eigene Verhaltensweisen unterstellt«, fuhr ich fort.
So, das hatte gesessen.
Na ja, hätte gesessen, denn Robert wusste noch immer nichts damit anzufangen.
»Ich verstehe nur Bahnhof«, bekannte er. »Was hat das mit meiner Frage zu tun?«
»Das bedeutet, dass es Leute gibt, die anderen nur deswegen misstrauen, weil sie selber etwas auf dem Kerbholz haben. Mit anderen Worten: Wenn du dir Sorgen um meine Treue machst, sollte ich mir vielleicht welche um deine machen.«
Das war etwas, womit ich ihn mit Leichtigkeit in die Enge treiben konnte. Nicht nur mit dem Vorwurf der Untreue, der schon aus aktuellem Anlass ein Volltreffer war, sondern mit psychologischen Ansätzen überhaupt. Ich ziehe mir nämlich regelmäßig psychologische Wälzer rein, und jeder, der das weibliche Geschlecht kennt, weiß, dass wir nicht lesen, um unser Wissen zu bereichern. Wir lesen, um danach über das, was wir gelesen haben, zu reden.
Und das ergibt durchaus Sinn.
Bei Robert verhält es sich nämlich genau andersrum, was das Lesen betrifft. Er liest gar nichts – wenn man den Sportteil von Tageszeitungen, Autozeitschriften und Pornomagazine nicht mitzählt –, und im Lauf der Jahre hat das bei ihm zu erheblichen Wissensdefiziten geführt. Genau da beginnt mein weibliches Mitteilungsbedürfnis zu greifen, lasse ich ihn doch selbstlos an meinem neu erworbenen Wissen, das ich mir mit Nackenverspannungen und bleibenden Schäden an meinem Augenlicht erkaufe, teilhaben. Klar, Robert kann nichts dafür, dass ich beim Lesen meistens auf meiner ergonomisch bedenklichen, dafür aber umso weicheren Ledercouch lümmle und das Licht in meinem Wohnzimmer durch das neue Halogensystem nur an zwei Stellen wirklich hell ist: hinter dem Fernseher und über dem Gummibaum, der seitdem drauf und dran ist, einen neuen Wachstumsrekord aufzustellen. Aber Tatsache bleibt doch, dass ich Mühen und körperliche Folgeschäden auf mich nehme, um Neues zu erfahren, und Robert daran teilhaben lasse.
Fairerweise muss ich dazu sagen, dass Robert auch über eigenes Wissen verfügt. Er kann einem einen halbstündigen Vortrag über das Errichten eines Wolkenkratzers halten, ohne dabei einmal Luft zu holen, und auch, wie man jemanden siebzig Stunden pro Woche für sich schuften lassen kann, ohne ihn auch nur einen Tag lang anzumelden, kann er zusammenhängend und fehlerfrei erklären. Aber von den wirklich wichtigen Dingen des Lebens wie der Verletzlichkeit der weiblichen Seele während der Menopause oder wie man eine neue La-Perla-Strumpfhose mit langen Fingernägeln anzieht, ohne sie zu zerstören, davon hat er keine Ahnung. Das sind Dinge, die erfährt er ausnahmslos von mir, und ich finde das großzügig.
Wobei ich zugeben muss, dass mich vor allem bei den psychologischen Themen hin und wieder der Teufel reitet.
Unter uns, manchmal verarsche ich ihn.
Unter den Psychoheinis gibt es nämlich einen nicht unerheblichen Prozentsatz, der die Ursachen allen seelischen Übels auf sexueller Ebene ortet, und das ist praktisch, wenn man einen Mann durch den Kakao ziehen will. So wie neulich, als Robert zum dritten Mal kontrollierte, ob
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