Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
erscheinen. Am 22. Februar 1791, als wenige Stunden nach Erscheinen die ersten hundert Exemplare bereits verkauft sind, macht Johnson auf politischen Druck hin jedoch einen Rückzieher, räumt das Buch aus seinen Regalen und überlässt Rechte und Verkauf einem Buchhändlerkollegen aus der Fleet Street.
Legendär sind die Abendgesellschaften in Johnsons Haus. Hier trifft sich alles, was in London in Sachen Aufklärung und Liberalismus tonangebend ist. In einem kleinen Esszimmer mit schiefen Wänden sitzt man um einen Tisch, erfreut sich an schlichter Hausmannskost und diskutiert, vorzugsweise über die Ereignisse in Frankreich.
An den Wänden hängen zwei Werke von Füssli. Das eine zeigt den namhaften Unitarier und Naturwissenschaftler Joseph Priestley, dem wir die Beschreibung des Elementes Sauerstoff verdanken. Formell gekleidet, sitzt er mit übereinandergeschlagenen Beinen an seinem Arbeitstisch, vor sich Manuskript und Tintenfass. Der unerschrockene, ins Licht getauchte Blick ist am Betrachter vorbei auf eine imaginäre Zukunft jenseits des eigenen Schreibtischs gerichtet. Wir sehen einem Aufklärer dabei zu, wie er, des Sieges der Vernunft gewiss, durch Nachdenken die Welt verbessert. An der Wand lehnen schwere, große Foliobände, das traditionelle Format für Bücher mit bedeutungsvollem Inhalt – nicht solche handlichen, preiswerten Bücher, für die Johnson als Verleger bekannt ist.
Johann Heinrich Füssli, »Der Nachtmahr«, 1782, © Founders Society purchase with Mr and Mrs Bert L. Smokler
and Mr and Mrs Lawrence A. Fleischman funds/The Bridgeman Art Library
Johann Heinrich Füssli, »Der Nachtmahr«, 1782.
Das zweite Bild von Füssli in Johnsons Speisezimmer ist von gänzlich anderem Charakter. »The Nightmare«, zu Deutsch »Der Nachtmahr«, aus dem Jahr 1782 hat den wilden Schweizer über die Grenzen Englands hinaus berühmt gemacht und ist bis heute sein bekanntestes Gemälde. Seinen Titel hat es von dem koboldhaften Wesen, das sich, wie der Volksglaube sagt, nachts auf die Brust des Schlafenden setzt und bei ihm drückende Angstgefühle hervorruft. Bei Füssli fixiert der nächtliche Dämon den Betrachter mit verschrobenem Blick. Die junge, blonde Frau, auf der er hockt, ist in ein weißes, eng anliegendes Negligé gehüllt, das mehr preisgibt, als es verbirgt. Sie liegt mit den Füßen zum Kopfende der Couch, die Decke ist zerwühlt, ihr Kopf hängt nach unten – eine Pose, die Selbstvergessenheit, aber auch Hemmungslosigkeit ausstrahlt. Im Hintergrund des Bildes stößt ein Pferdekopf durch den Vorhangspalt; die Augen des Tiers scheinen geblendet, die Mähne weht in einem gespenstischen Wind, beinahe meint man, ein schrilles Wiehern zu hören, als befände sich das Pferd auf der Flucht.
»Der Nachtmahr« war die Publikumsattraktion der Frühjahrsausstellung der Londoner Royal Academy des Jahres 1782. Mit seiner herausfordernd direkten Darstellung einer Welt, in der sich Angst, Schrecken und Lust mischen, stach es alle anderen Bilder aus. Die Kritik war sich indessen uneins, was dieser Geniestreich zu bedeuten habe. Der Schriftsteller Horace Walpole, immerhin der Begründer der Gothic Novel, des Schauerromans, fand das Bild in einer Ein-Wort-Rezension einfach nur »shocking«, und das war ohne Spaß gesagt. Es bedurfte des moralisierenden Kommentars eines Geistlichen, um die allen irgendwie plausible Vermutung öffentlich zu machen, dass es auf dem Bild auch um Sexualität gehen könnte. Zielt der Pferdekopf nicht eindeutig auf den Schoß der Schlafenden? Und ist es nicht auch Lust, die sich in der Miene der Frau widerspiegelt? Das Buch auf dem Nachttisch – liegt es nur versehentlich dort oder ist es die Quelle des Albtraums, der die Frau heimsucht? Ein Klischee besagte, dass Frauen aufgrund ihrer schwächlichen Konstitution stärker zu Albträumen neigten, besonders infolge von Romanlektüre, aber auch wenn sie verliebt, schwanger waren oder kurz vor ihrer Regel Geschlechtsverkehr hatten. Was hier dargestellt würde, so besagter Vikar, seien nichts als »Träumereien des Gehirns«, und den Maler müssen man passenderweise einen »Libertin«, einen Casanova oder sogar einen de Sade der Malerei nennen.
Füsslis Bild lässt bis heute kaum einen Betrachter kalt. Es ist eine Ikone der nach der Französischen Revolution heraufziehenden Romantik und weist aus dem Jahrhundert seiner Entstehung bereits ins folgende: Mary Wollstonecrafts zweite Tochter, die Romantikerin Mary Shelley, lässt aus
Weitere Kostenlose Bücher