Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
männlicher Jugendlicher – ein sattsam bekannter Umstand, an dem sich bis heute nichts geändert hat. Die Blätter für literarische Unterhaltung , eine Leipziger Literaturzeitschrift, formulieren diesen Befund 1837 dann pointiert so: »Männer lesen nicht mehr Romane, außer um sie zu rezensieren. Wer Romane schreibt, muss an die Damen denken, wenn er gelesen sein will. Sie herrschen schon jetzt.« So also sieht die Arbeitsteilung in Sachen Roman aus: Die Frau mit ihren eng begrenzten Möglichkeiten zur Lebenserfahrung liest, der Mann hingegen fühlt sich darüber erhaben, den Umweg über die Fiktion zu nehmen. Er beschäftigt sich mit Romanen höchstens in professioneller Absicht – als Rezensent. Auch darin ist Mary Wollstonecraft die berühmte Ausnahme, selbst wenn wir annehmen dürfen, dass die Männer in der Redaktion ihr die Belletristik gerade deshalb überlassen, weil sie sie mehr oder weniger für Frauenkram halten.
Und in der Tat: Die Mehrzahl der von ihr besprochenen Romane sind von Frauen geschrieben, die teilweise mit ihrem eigenen Namen hervortreten, teilweise auch anonym bleiben: »By a Lady« heißt es dann auf der Titelei. Bei uns heute ruft das Erstaunen hervor. Wir haben uns an das von der Literaturgeschichte vermittelte Bild gewöhnt, wonach der Anteil der Autorinnen bis weit ins 20. Jahrhundert lächerlich gering ist. Doch schon ein oberflächlicher Blick auf die Rezensionen Mary Wollstonecrafts zwingt uns dazu, diese überkommene Ansicht zu revidieren. Seit den 1970er Jahren, als die zweite Welle des Feminismus unsere Kulturinstitutionen erreichte, haben Literaturwissenschaft und Verlage eine Fülle von Wiederentdeckungen vergessener literarischer Werke vorgelegt. Viele von der Literaturgeschichte unterschlagene Autorinnen wurden auf diesem Wege rehabilitiert. Doch selbst diese häufig lohnenswerten Anstrengungen vermögen die tatsächliche Fülle an Frauenromanen, wie sie für die Zeitgenossen von Mary Wollstonecraft selbstverständlich gewesen sein muss, nicht auch nur annähernd wiederzugeben. Damals herrschten, jedenfalls in Sachen Roman, die Damen in der Tat – auch als Autorinnen.
Wie aber erklärt sich dann, dass die meisten von ihnen mit der Zeit in Vergessenheit gerieten? Lesen wir dazu, was Louis-Sébastien Mercier unter dem Titel »Frauen als Autoren« in seinem Tableau notiert hat:
Sobald die Frauen ihre Werke veröffentlichen, haben sie sogleich den Großteil ihres eigenen Geschlechts gegen sich und bald auch fast alle Männer. Der Mann möchte gern, dass eine Frau genügend Geist hat, um zu verstehen, aber nicht, dass sie so weit geht, mit ihm zu rivalisieren und die Gleichwertigkeit ihrer Begabung zu zeigen, während der Mann für sich täglich seinen Tribut an Bewunderung fordert.
Diese scharfe Beobachtung eines Zeitgenossen bestätigt gleichsam vor der Zeit die Ansicht der feministischen Literaturwissenschaft: Die Verdrängung der literarischen Werke der Frauen sei das Resultat einer Strategie der Männer, die als Kritiker und von den Universitätskadern aus zu bestimmen begannen, was gute und was miserable, was ernsthafte und was lediglich unterhaltsame, was kanonische und was ephemere Literatur ist.
Die Lektüre von Marys Besprechungen der zeitgenössischen Produktion führt zu einem etwas differenzierteren Bild. » The Happy Recovery ist eine heterogene Anhäufung von Dummheit, Geschraubtheiten und Unwahrscheinlichkeiten«, lautet gleich der erste Satz ihrer ersten Rezension vom Juni 1788, die einem Roman »by a Lady« gilt. Eine Analyse von Romanen sei in der Regel nicht zu leisten, fährt Mary fort, der Jargon der Empfindsamkeit lasse sich nicht an Vernunftmaßstäben messen. Die Kritik müsse deshalb zum Spott greifen, mit dem Ziel der Abschreckung, um die Gedankenlosigkeit der allerschlimmsten Klischees und Vorurteile an den Pranger zu stellen. Marys Romanrezensionen der nächsten Jahre bieten ein reichhaltiges Spektrum an Verrissen, die an Aggressivität und Härte wenig zu wünschen übrig lassen. Zuweilen bestehen sie nur aus ein, zwei vernichtenden Sätzen, so etwa im Oktober 1789 zu The Cottage of Friendship, einem Roman aus dem Landleben, verfasst von einer Dame, die sich sinnigerweise Silviana Pastorella nennt: »Das romantische, unnatürliche Phantasiegespinst einer sehr jungen Dame, wie wir auch angesichts der geringen Lebenserfahrung vermuten … wir raten ihr, die Feder wegzuwerfen und einer nützlicheren Beschäftigung nachzugehen.« Und so könnte
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