Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
vor, dass sie heiraten. Max Werner ist bei Fenitschka, als der Brief mit dem Antrag sie erreicht. Die junge Frau reagiert entsetzt.
»Ja, lieber Gott, warum auch nicht?«, versucht Max Werner sie aufzumuntern. »Das ist doch eigentlich ganz natürlich? Hast du denn nicht selber schon an dieses Ende gedacht?«
»Ich? – Nein, – ich, – es schien ja aus äußeren Gründen zunächst so ganz unmöglich, – ich meine: es ging eben noch nicht, – so dass man nicht daran denken konnte, – – nicht zu denken brauchte«, stottert sie herum. »Hast du jemals den Eindruck gehabt, in dieser ganzen Zeit, seit wir uns kennen, als ob ich heiraten wollte?«
»Nein, das wohl nicht«, gibt er zu, »aber es musste schließlich …«
»Ich konnte es auch gar nicht wollen!«, unterbricht sie ihn aufgebracht, beinahe wütend. »Sage mir, will es denn etwa einer von euch – will es ein junger Mensch zum Beispiel, der seine ganze Jugend drangesetzt hat, um frei und selbstständig zu werden, der nun grade vor dem Ziel steht, auf der Schwelle, der das Leben grade um deswillen lieb gewonnen hat, um des Berufslebens willen, um der Verantwortlichkeit willen, um der Unabhängigkeit willen? Nein! Ich kann es mir einfach nicht als Lebensziel vorstellen, Heim, Familie, Hausfrau, Kinder, es ist mir fremd, fremd, fremd! Vielleichtnur jetzt, – vielleicht nur in dieser Lebensperiode. Weiß ic h ’s? Vielleicht bin ich überhaupt untauglich grade dazu. – Liebe und Ehe ist eben nicht dasselbe.«
Während der Heiratsantrag des Geliebten die gerade noch so selbstbewusste Fenitschka in einen unerträglichen Zwiespalt stürzt, denkt Max Werner an Aufbruch. Es drängt ihn heim zu seiner Verlobten Irmgard, gerade weil er sicher ist, dass sie niemals Fenias Zweifel hegen würde. Bis heute interessant sind auch die Gedanken, die Lou Andreas-Salomé in ihrer 1898 erschienenen Erzählung Fenitschka. Eine Ausschweifung Max Werner hegen lässt:
»Wenn ein Mann eine Frau weniger tief und absolut liebt als sie ihn, so hängt das nicht zum wenigsten damit zusammen, dass sie für ihn eine geringere Bedeutsamkeit besitzt als er für sie. Er erholt sich mehr bei ihr, als dass er ihrer außerhalb der Liebe bedarf. – So hat Fenia sich vielleicht von ihren eigenen geistigen Kämpfen und Anstrengungen bei dem Mann ihrer Liebe erholt. Nach Jahren konzentriertester Studien eine unbewusste vollzogene, verständliche Reaktion. Erst der Heiratsantrag rührt ihre friedlich ruhenden Gedanken darüber plötzlich auf, lässt sie erwachen.«
»Welche eine Torheit! Um diese Zeit und bei solch einer Hitze zu baden!«, ruft Mr Pontellier. Mit seiner Frau Edna und den Kindern, zwei kräftigen Kerlchen von vier und fünf Jahren, verbringt er die Sommermonate auf Grand Isle, einer Golfinsel vor New Orleans, wo die Familie lebt und er seinen Geschäften nachgeht. In der prallen Mittagshitze kommt Edna gerade vom Strand und lässt sich ein wenig erschöpft auf der oberen Verandastufe nieder. »Du bist ja bis zur Unkenntlichkeit verbrannt«, sagt Mr Pontellier zu ihr und sieht seine Frau dabei an, »wie man ein wertvolles Stück persönlichen Eigentums ansieht, das Schaden genommen hat«.
Edna Pontellier, eine Dame der Oberschicht, hat früh begriffen, dass es zwei Leben gibt: »jenes äußere, das sich anpasst, und das innere, das alles hinterfragt«. In diesem Sommer gewinnt das innere Leben die Vorherrschaft und fängt an, das äußere zu verändern. Auslöser dafür ist der zwei Jahre jüngere Robert, der Edna romantisch umschwärmt und in den sie sich, ohne es anfangs zu bemerken, verliebt. In ihrer Vergangenheit gibt es manches Unabgegoltenes, nicht zuletzt, was Liebesdinge betrifft. Ihre Ehe mit Léonce Pontellier kam zustande, da sie seinerzeit glaubte, als die Gattin eines in der Gesellschaft angesehenen, großzügigen Mannes sei ihr Platz in der Wirklichkeit zufriedenstellend definiert und sie könne die Türen zum Reich der Gefühle und Träume für immer hinter sich verschließen. Das jedoch stellt sich in diesem Sommer als Irrtum heraus. Es sei »einer Frau, einer Gattin, einer Mutter unmöglich, sich gegen die Liebe eines jungen Mannes zu schützen«, hatte schon Balzac in Die Frau von dreißig Jahren bemerkt. In ihrer Macht stehe nur, ihn ab dem Augenblick nicht mehr wiederzusehen, da sie sein Herzensgeheimnis errät. Aber dieser Entschluss scheint gar zu schwerwiegend, als dass ihn eine Frau in einem Alter fassen könnte, in dem die Ehe sie belastet,
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