Frauen wollen reden, Männer Sex: Wie verschieden sind wir wirklich, Herr Buschbaum? (German Edition)
Vorhinein.
Im Laufe des Lebens begegnet einem Leid und man erfährt Ungerechtigkeiten, der eine mehr, der andere weniger. Wenn man aber sein Leid zum Bestandteil seiner Persönlichkeit macht, dann wird es sehr schwerfallen, sich von ihm zu befreien. Fremde Menschen, die sich einem mit Namen vorstellen und gleich hinzufügen, dass sie Krebs haben oder gerade von ihrem Lebenspartner verlassen wurden, identifizieren sich mit ihrer persönlichen Leidensgeschichte. In einem solchen Zustand werden sie sich nie von ihrem Leid trennen können.
Wer sagt denn überhaupt, dass ein Schicksalsschlag immer nur etwas Negatives zu bedeuten hat? Wenn ein Herzinfarkt einen aus der Bahn wirft, dann ist das bestimmt keine positive Erfahrung. Dieser Infarkt kommt allerdings nicht von ungefähr, und vielleicht will er uns signalisieren, dass in irgendeinem Bereich unseres Lebens Ungleichgewicht herrscht. Und das wahrscheinlich schon sehr lange. Wir arbeiten zu viel und leben zu wenig, setzen uns psychisch unter Druck und merken es erst viel zu spät. Der Körper fordert seine Auszeit und sendet uns so lange Signale, bis wir sie ihm geben. (Ich weiß, wovon ich rede, doch darüber später mehr.)
Bei Schicksalsschlägen ist die Frage nach dem Warum rückwärtsgewandt und wenig konstruktiv. Anstelle mit dem Vergangenen und Nicht-mehr-zu-Ändernden zu hadern, sollten wir nach dem Wofür fragen. Vielleicht eröffnet sich dabei eine für uns Sinn gebende Perspektive.
Ich persönlich glaube nicht an Zufälle und denke, dass hinter jedem Schicksalsschlag ein tieferer Sinn verborgen liegt. Ich habe aus meiner Geschichte viel gelernt – nicht nur über Frauen und Männer, sondern am meisten über mich selbst. Ich bin fest davon überzeugt, dass jedes Ereignis einen Sinn in sich trägt. Manchmal ist der Weg zur Erkenntnis nur eben nicht so einfach zu gehen, vor allem dann, wenn der Sinn über unser Alltagsverständnis und unser individuelles Leben hinausgeht und sich möglicherweise erst nach Monaten oder Jahren offenbart.
Ich habe mich oft gefragt, was mir das Schicksal mitteilen wollte, und bin nach langer Zeit zu einem ehrlichen Eingeständnis gelangt: Wäre ich als ganz normaler Kerl auf die Welt gekommen, hätte ich nicht für mein wahres Sein kämpfen müssen. Wenn ich nicht durch mein Schmerztal hätte hindurchwandern und mich durch das fälschlich produzierte Östrogen in die Gehirne der Frauen hineindenken müssen, dann wäre ich ein typisches Männer-Macho-Arschloch geworden, das nur wenig Sensibilität und Empathie für das faszinierende Wesen der Frau aufgebracht hätte. Mir wäre es lediglich darum gegangen, meinen Samen zu verteilen. Ich wäre mächtig unreflektiert geworden und hätte auf Grund meiner einfachen Struktur nicht die Notwendigkeit gesehen, mir über meine Taten Gedanken zu machen. Zum Glück – das kann ich heute sagen – ist alles anders gekommen. Warum aber brauchte ich für meine Selbstfindung achtundzwanzig lange Jahre? Wahrscheinlich ist das die mindeste Arbeits- und Lernzeit, die Mann braucht, um sich (und die Frauen) zu verstehen.
Warum können wir so schwer im Augenblick leben?
Viele Menschen verbringen die meiste Zeit in ihren Gedanken, anstatt im Hier und Jetzt zu leben. Sie verharren im Gestern, hadern mit dem Morgen oder reisen gedanklich noch viel weitere Strecken. Wenn sich z.B. zwei Menschen küssen, dann habe ich oft das Gefühl, dass sie das nicht bewusst tun. Sie küssen aus Gewohnheit, aus Langeweile, aus einer momentanen Unsicherheit heraus oder weil der Partner es gerade möchte. Ähnliches gilt für Liebende, die sich streicheln. Häufig verfallen sie in einen immer wiederkehrenden gleichen Rhythmus. Ihr Daumen bewegt sich auf dem Handrücken des Partners tausend Mal auf und ab, ohne dass sie wissen, was sie da überhaupt tun.
Ich denke, dass unsere Gedanken und unsere Zweifel uns davon abhalten, sich voll und ganz dem Augenblick hinzugeben. Da genügen schon harmlose Bedenken darüber, wie der Küssende bei seinem Kusspartner wohl ankommen oder wie er dem anderen gefallen mag.
Vor allem in alltäglichen Situationen verlassen wir das Hier und Jetzt. Bei der Wäsche legen wir die Socken falsch zusammen. Irgendwann fällt uns dann auf, dass wir an unseren beiden Füßen jeweils eine L-Socke tragen. In der Küche schneiden wir uns nur deshalb in die Finger, weil wir mit unseren Gedanken bei den noch zu erledigenden Hausaufgaben der Kinder verweilen oder weil uns der Geruch aus dem Ofen
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