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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Strickmütze, dachte sie sofort, und es durchfuhr sie heiß, weil sie keine Waffe bei sich hatte, ausgerechnet jetzt nicht, wo der Satan ganz in ihrer Nähe lag oder vielleicht sogar umherschlich und Opfer suchte.
    Auf wen hatte er geschossen? Wen hatte er getroffen?
    Stella Antonowna wand sich wie eine Schlange über den Boden, kroch vorwärts, verharrte oft und lauschte auf jedes Geräusch. Von Hesslichs Position aus war es unmöglich, Stella zu sehen, und auch die Stelle, an der Dunja lag, war nun seinem Blickfeld entzogen. In Posen bei MM – Major Molle – hatte er es bis zur Knochenentzündung geübt. Wenn immer es möglich ist, nach dem Schuß sofort die Stellung wechseln. Nie dem Gegner zeigen, wo man sich befindet. Nie gerade Richtungen nehmen, sondern sich immer in Bögen absetzen. Denken, wie der Gegner denkt, und dann alles anders machen. Überraschungsmomente entscheiden über Leben und Tod. Einzelkampf ist Phantasie. MM hatte eine ganze Reihe poetischer Umschreibungen für ›töten‹ auf Lager.
    Als Stella Dunjas Körper zwischen den Sonnenblumen entdeckte, kroch sie langsam zu ihr hin und beugte sich über sie. Ihr Gesicht war noch naß vom kühlenden Wasser, in ihrem schwarzen Haar hingen noch die Tropfen. Und genau über der Nasenwurzel war ein kleines Loch, aus dem ein dünner Blutfaden sickerte.
    Stella legte ihren Kopf auf Dunjas Brust und schloß für einen Moment die Augen. Er ist es tatsächlich, durchfuhr es sie. Er muß es sein. Die graue Strickmütze. Nur ihm traue ich so einen Schuß zu – bei jedem Licht, aus jeder Entfernung, aus jeder Stellung. Es ist geschehen, was ich immer vorausgesagt habe: Er ist zurückgekommen! Ausgelacht haben sie mich … ob sie noch immer lachen werden, wenn sie Dunjas Kopf sehen? Wie sagte der selbstgefällige Ugarow doch: »Hört nur, wie Stella von dem Deutschen träumt! Möchte ihn wohl gern im Bett haben, was? Man sollte es mit dem großen Lautsprecher über den Fluß rufen: Komm rüber, Strickmützenteufel! Stella Antonowna kann deinetwegen nicht mehr schlafen …«
    Was wird er jetzt sagen, der schöne Victor Iwanowitsch?!
    Sie streifte mit der flachen Hand Dunjas Lider über die toten Augen, zerrte das Gewehr von ihrem Rücken und nahm ihr auch die Patronen aus der Tasche. Nun hatte sie eine gute Scharfschützenwaffe; zwar nicht ihre eigene, auf die sie eingeschossen war, aber sie war wenigstens nicht mehr wehrlos gegen den tödlichen Schatten, der irgendwo in den Trümmern des Dorfes lauerte. Mit einem Ruck lud Stella durch. Das Knacken kam ihr in der Nachtstille wie ein Kanonenschlag vor. Auch der Gegner mußte es gehört haben. Katzenhaft schnellte sie zur Seite und rollte sich ab.
    Hesslich hörte nichts, aber Flora Victorowna vernahm das Geräusch. Der Schuß hatte sie in ihrem Postenstand aufgeschreckt. Jetzt kam sie, ein wenig nach vorn geduckt, in den Garten gelaufen, in dem sie Dunja wußte. Flora sprang geschickt von Ruine zu Ruine, nutzte jeden verkohlten Balken als Deckung und huschte nur selten mit zwei oder drei Sprüngen über freies Gelände, und auch das geschah mit der Grazie und der Schnelligkeit einer Gazelle.
    Flora Victorowna aus Gorkij. Groß, sehr schlank, Knochen mit gestählten Muskeln. Jugendmeisterin im Hochsprung. Sie lachte gern und erzählte immer wieder von ihrem ersten Liebeserlebnis. Es war nach einem Sportfest gewesen. Der Liebhaber war ein guter Hammerwerfer – aber als sie in der Gerätekammer des Stadions voneinander ließen, und er sah, wie die von ihm entjungferte Flora blutete, da brach der harte Bursche in Tränen aus und lief wie in Panik davon. Wenn Flora diese Geschichte erzählte, krümmte sie sich vor Lachen.
    Hinter einem Mauerrest kniete Peter Hesslich. Flora kam genau auf ihn zu. Wenn sie den Garten erreichen wollte, in dem Dunja lag, mußte sie genau an ihm vorbei.
    Stella schien das zu ahnen. Sie drückte Dunjas Gewehr an sich und schrie so laut sie konnte:
    »Hinlegen! Alarm! Alarm! Deckung …!«
    Flora traf es wie ein Schlag. Sie befand sich gerade auf einem freien Stück, bis zur nächsten Deckung, einem zerfallenen Kamin, waren es etwa fünf Meter.
    Auch Hesslich war bei Stellas gellendem Schrei zusammengezuckt, wurde aber danach sofort ganz ruhig. Es war die Ruhe des Ausweglosen, der gelernt hatte, daß Eiseskälte ein Gefährte des Unmöglichen ist.
    Er riß sein Gewehr hoch, hatte Floras Kopf im Visier und drückte ab. Er traf sie beim letzten, verzweifelten Sprung. Sie warf die Arme weit

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