Frauenbataillon
ich zu, Plötzerenke zu überraschen und ihn hinterher sogar noch zu versorgen. Ich möchte ihr einmal allein begegnen.«
»Und wennste wieder zwei Sekunden zu spät kommst?«
»Mein Risiko und mein Pech.«
»Aber du würdest sie töten?!«
»Ja!«
Das Ja war klar und hart und machte weitere Fragen überflüssig. Dallmann zog die Schultern hoch, als fröstelte ihn. Jetzt weiß ich es, dachte er. Auch auf die Nackten hätte er geschossen. Er hätte ihre Brüste und Schenkel gar nicht gesehen, sondern nur das Ziel, das es zu treffen gilt. Er ist ein eiskalter Hund, ganz anders als noch bei der Ausbildung in Posen. Da glaubten wir immer, der fängt nach jedem Kopftreffer an zu heulen. Und dabei waren es nur Pappkameraden und Strohpuppen.
»Morgen wird Plötzerenke begraben«, sagte Hesslich dumpf. »Wir sind beim Salutschießen dabei.«
»Muß das sein?« Dallmann blickte gegen die nahe Wand.
»Ja. Wir müssen endlich lernen, beim Zielen unsere Gefühle zu vergessen. Und das gelingt uns am ehesten an den offenen Gräbern unserer Kameraden.«
In der sowjetischen Stellung empfing Galina Ruslanowna den kleinen Trupp. Sie erkannte den alarmierenden Zustand der Schulterwunde und ließ Schanna sofort in den Sanitätsbunker bringen. Wie zuvor Ursbach, bereitete sie unverzüglich die Operation vor.
Marianka ging inzwischen zu der Bajda und meldete ihr die Rückkehr. Soja Valentinowna kam in einem weinroten Bademantel, der Ugarow gehörte, an die Tür, als Marianka anklopfte.
»Ein voller Erfolg, Genossin!« sagte Marianka und lachte über das ganze Gesicht. »Der Bulle ist tot!«
»Und Schanna Iwanowna?«
»Sie war in Gefangenschaft. Wir haben sie mitgebracht.«
»Gefangenschaft?« Die Bajda spuckte das Wort förmlich aus. »Mitgebracht! Warum habt ihr sie nicht unterwegs verloren? Das wäre besser für sie gewesen.«
Sie schlug die Tür zu und kehrte zu ihrem Bett zurück. Ugarow hob den Kopf. Die Bajda zog den Bademantel aus und legte sich nackt auf die Schlafdecke.
»Was gibt es, mein Schwälbchen?« fragte Victor Iwanowitsch.
»Schanna ist zurück! Sie hat bei den Faschisten gelebt!« Soja Valentinowna zog die Beine an den Körper, als quälten sie heftige Magenkrämpfe. »Sag mir, wie kann ich mit dieser Schande weiterleben …«
Plötzerenkes Tod blieb im dunkeln. Niemand konnte ihn sich erklären – und Dallmann schwieg. Seltsame Spekulationen kursierten im Bataillon: Hieß es z.B. Plötzerenke und ein noch unbekannter Kamerad hätten sich heimlich in der Scheunenruine niedergelassen, um ungestört dem Glücksspiel zu frönen. Erst jetzt kam heraus, daß Plötzerenke ein Künstler im Kartenspiel war, einer von jener Sorte, wie man sie früher im Wilden Westen aufzuhängen oder zu erschießen pflegte, ein hochbegabter Falschspieler also, der mit sechs Assen jonglierte, ohne daß es jemand merkte. Möglich – so das Gerücht –, daß es zwischen Plötzerenke und seinem Partner zu einem Streit mit tödlichem Ausgang gekommen war. Plötzerenke mußte überrascht worden sein, da keinerlei Anzeichen von Gegenwehr erkennbar waren. Und dann sah der Schütze Plötzerenke blutend auf dem Boden liegen, erwachte aus seinem Zorn und entdeckte, was er angerichtet hatte. Er versuchte, Plötzerenke zu helfen und gab ihm, als er sah, daß alle Rettungsversuche sinnlos waren, die erlösende Injektion.
Spätestens hier wurde diese Version zur Farce: Wer hat denn schon eine Narkosespritze?! Darüber verfügen nicht einmal die Sanitäter, sondern nur die Ärzte in der Krankensammelstelle und auf den Hauptverbandsplätzen. Daß von dort der Spieler und Mörder gekommen sein könnte, war vollkommen ausgeschlossen.
Unterarzt Ursbach, der die Untersuchung im Auftrage des Bataillons und später in Gegenwart des Regimentsarztes führte, mußte sich unter vier Augen sagen lassen, daß er noch sehr jung sei und noch viel lernen müsse, um solche kritische Situationen meistern zu können.
»Maul halten und Heldentod feststellen!« sagte der Oberstabsarzt vom Regiment. »So macht man das, junger Kollege! Was haben Sie denn bloß von Ihrer Korrektheit? Nur Arbeit und Ärger und einen wüsten Papierkram! Der arme Plötzerenke kommt nicht ins Heldengrab, eine Reihe von Leuten wird mit dem Problem beschäftigt, und jeder denkt im stillen: Hätte dieser Unterarzt doch den Mund gehalten! Da können Tausende an einem Tag fallen, das ist normal und wird registriert. Aber bei einem unerklärlichen Todesfall ist sofort der
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