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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wieder einen Blick auf Schanna und wölbte die Unterlippe vor. »Weiß man jetzt Genaueres von ihrer verdammten Gefangenschaft?«
    »Der faschistische Soldat, den Marianka den ›Bullen‹ nennt, hat Schanna sechs Tage verborgen gehalten. Lida und Marianka haben ihn liquidiert.«
    »Sie … sie war seine Hure? Kaum aussprechen kann ich es …«
    »Das wissen wir nicht.« Galina brühte den Tee auf. Es mußte auf die einfache Art geschehen. Einen Samowar, wie sie ihn hinten bei den Stäben überall hatten, gab es in der vordersten Linie nicht. »Ich traue es ihr nicht zu.«
    »Aber sechs Tage lang blieb sie bei ihm …?«
    »Sie wurde von Tag zu Tag schwächer.«
    »So schwach, daß sie nicht mehr über sich selbst verfügen konnte?«
    »Sie hoffte, wir würden sie holen. Hat sie uns nicht Zeichen gegeben? Für diese Hoffnung hat sie alles ertragen. Sie hatte den Befehl, zehn Deutsche zu töten. Als sie endlich eine Gelegenheit fand, gab sie uns Signale. Man sollte den ›Bullen‹ in ihr Trefferbuch eintragen, das wäre gerecht.«
    »Gerecht wäre es, hundert Fragen zu stellen und hundert Urteile zu sprechen.«
    »Warum?« Galina goß sich eine Tasse Tee ein. Sie lehnte sich gegen die Bunkerwand und trank mit kleinen, vorsichtigen Zügen. »Soja Valentinowna, warum bist du so unnachgiebig? Ich weiß es, ich habe es ja überall gehört – du wirst so sehr gefürchtet wie kein anderer Kommandeur …«
    »Das freut mich!« Die Bajda veränderte ihre Haltung nicht. »Es kann auch gar nicht anders sein. Wir sind schließlich die beste Einheit der Roten Armee! Dank unserer Disziplin! Und sie« – die Bajda machte eine Kopfbewegung in Schannas Richtung – »sie hat mich verraten! Sie ist eine der Besten. Sie wäre Heldin der Sowjetunion geworden, das weiß ich! Genau, wie Stella und Lida Heldinnen sein werden. Und vielleicht auch Marianka und Wanda. Aus meiner Einheit stammen die meisten Heldinnen! Ist das keine Verpflichtung, Galina Ruslanowna?«
    »Warum sagst du, Schanna ›wäre‹ es geworden? Noch lebt sie – und sie wird weiterleben, wenn sie sofort in ein Lazarett kommt! Sie hat dich nicht verraten. Sie war nicht feige, sie hat dich nicht gedemütigt, sondern alle Qualen ausgehalten, um uns Lichtzeichen zu geben! Was anderes hätte sie tun können?«
    »Nicht in Gefangenschaft geraten!«
    »Das kann jedem von uns passieren. Dir auch …«
    »Angst habt ihr vor mir – und kennt mich doch so wenig! Auf der Kriegsschule in Frunse haben wir viel gelernt. Wir haben deutsche Dichter gelesen, deutsche Strategen studiert, deutsche Militärwissenschaft diskutiert. Es gab ja zur Zeit der Zaren viele deutsche Generäle und Staatsmänner. Und da habe ich bei einem deutschen Dichter einen Satz gefunden, der mir wie ein Blitz in die Seele schlug. Plötzlich begriff ich, warum die Deutschen immer siegten, warum sie, obgleich ständig unterlegen an Menschen und Material, selbst dann noch vorwärtsstürmten, wenn ein Angriff reiner Irrsinn war. Hinter ihren Offizieren her warfen sie sich in den Tod. Warum? Ich wußte es jetzt. Dieser deutsche Dichter – Walter Flex hieß er, du kennst ihn nicht, natürlich, wer kennt ihn noch, er ist im Ersten Weltkrieg 1917 beim Kampf um die Insel Ösel gefallen –, von ihm stammt der Satz: ›Offizier sein heißt, seinen Leuten vorleben … das Vorsterben ist nur ein Teil davon.‹ Das habe ich behalten, und es trifft auch für mich zu. Und ich verlange von jedem von euch: Vorsterben, damit wir leben können!« Sie blickte wieder hinüber zu der reglosen Schanna. »Deshalb hat sie mich verraten, Galina Ruslanowna: Sie konnte im richtigen Augenblick nicht sterben. Sie blieb sechs Tage bei einem Deutschen. Was will sie mir da noch erklären?«
    Die Bajda erhob sich, zog ihren Uniformrock gerade und verließ den Sanitätsbunker so laut, wie sie gekommen war. Ihre Stiefel hämmerten auf die Holzplanken, die Tür krachte zu.
    »Was nun?« fragte die Sanitäterin am Auskochgerät kläglich.
    »Ich weiß es noch nicht.« Die Opalinskaja schlürfte den heißen Tee, der ihr nach dieser aufregenden Nacht wie ein wahrer Lebenstrunk vorkam. »Großen Streit wird es geben. Aber mir kann sie nichts befehlen. Ich bin Ärztin! Was mit Schanna geschieht, bestimme jetzt ich! Hart wird es werden, sehr hart. Hier geht es nicht um deutsche Dichter, sondern um unsere Kameradin. Das werde ich ihr beibringen müssen!«
    Bis zum späten Nachmittag blieb Schanna in ihrer Betäubung. So schien es wenigstens. Dabei

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