Frauenbataillon
Rotbannerorden und sind einzigartig unter allen Frauenbataillonen!«
Wie zuvor Hesslich am Grabe Plötzerenkes, so stand auch Stella später allein vor dem Grab der gefallenen Kameradin. Das Geheimnis, das sie mitgenommen hatte, ließ ihr keine Ruhe. Sojas offizielle Meldung, daß der Mann mit der Strickmütze ihr Mörder oder besser ihr siegreicher Gegner sei, war eine Notlüge, die alle verstanden. Daß aber ausgerechnet dieser deutsche Teufel dafür herhalten mußte, war alarmierend. Es zeigte, wie tief in der Bajda bereits die Furcht vor diesem Gegner verwurzelt war.
Stella allein ahnte die Wahrheit. Sie wußte genausoviel, wie Lida ihr anvertraut hatte. Auch von dem deutschen Arzt hatte sie erfahren, dem Mann mit dem fast unaussprechlichen Namen Helge Ursbach, und sie wußte, daß er Lida geküßt und daß diese seinen Kuß erwidert hatte. Das war eine Ungeheuerlichkeit. Stella war vor Entsetzen ganz steif geworden, während Lidas Augen in der Erinnerung zu glänzen begannen, als spräche sie von ihrem Geliebten.
»Und was hat er geantwortet, als du ihm meinen Namen nanntest und ihm sagtest, daß ich den Hund mit der Strickmütze umbringen will?« fragte sie mit gepreßter Stimme.
»Er will es ihm bestellen. Jetzt weiß der Teufel schon Bescheid …«
»Und du schämst dich nicht, daß du einen Faschisten geküßt hast?!«
»Nein! Ich denke ständig an ihn.«
»So wie ich Soja Valentinowna kenne, würde sie dich auspeitschen lassen, wenn sie das wüßte! Liduschka, bist du verrückt geworden?«
»Ja …«, antwortete Lida schlicht.
»Du Himmel! Du liebst ihn wirklich?!«
»Ich weiß es nicht. Vergessen kann ich ihn nicht …«
»Und wenn du ihm wieder begegnest?«
»Als Arzt kann ich ihn nicht erschießen. Also werde ich ihn lieben …«
Das ging nun wirklich zu weit! Stella Antonowna schlug die Hände zusammen. »Laß dich versetzen, Lida«, sagte sie eindringlich. »In einen anderen Abschnitt. Weg von hier. Eine Begründung werden wir schon finden. Hier wirst du zu einer Belastung für uns! Zum Teufel, was ist bloß in uns gefahren? Schießen die drüben mit Bazillen auf uns, die uns verrückt machen?« Am Abend stand Stella Antonowna vor den letzten Gärten des Ruinendorfes und sah über den Fluß. Man konnte sie vom deutschen Ufer aus gut erkennen. Schießen konnte man allerdings nicht – auf diese Entfernung wäre jeder Treffer ein Zufall gewesen. Und darauf läßt sich kein Scharfschütze ein.
»Das ist sie!« sagte Peter Hesslich. »Meine schöne Blonde!« Er lag mit Dallmann am Ufer. Sie hatten Stella voll im Fernglas. »Unbewaffnet«, fuhr Hesslich fort. »Ein Besuch also. Nun paß mal auf …«
Er wollte sich erheben, aber Dallmann riß ihn an der Hose zurück ins Gras.
»Du hast wohl 'ne Meise?! Was willst du?!«
»Als höflicher Mensch mache ich einen Gegenbesuch …«
»Peter! Laß den Blödsinn!«
Es war schon zu spät. Hesslich riß sich los, stand auf, trat noch einen Schritt vor, griff in die Hosentasche, holte seine Strickmütze hervor und zog sie über die Haare. So stand er am Ufer des Donez und breitete die Arme aus. Neben ihm lag Dallmann im Gras und zitterte vor Angst. Durch sein Zielfernrohr behielt er Stella im Visier.
Stella Antonowna durchfuhr es wie ein heißer Schlag, als sich drüben der Mann erhob, die Strickmütze überzog und die Arme ausbreitete. Ihr Herz hämmerte bis zum Gaumen, ihr Blut war wie ein glühender Strom, im Kopf dröhnten die Nerven und übertönten alle anderen Geräusche.
Einen Augenblick standen sie einander gegenüber, vom Fluß getrennt, waffenlos, unerreichbar und doch wie zum Anfassen nah in der klaren Abendluft.
Und dann grüßten sie sich.
Stella Antonowna reckte die geballte Faust hoch in den Himmel.
Peter Hesslich winkte ihr zu wie einem Freund.
Du oder ich – eine andere Möglichkeit gab es nicht mehr!
*
Zwei Tage später traf mit dem Verpflegungswagen vom Bataillon ein neues Mitglied der Abteilung Bajda ein. Soja Valentinowna war kurz zuvor telefonisch verständigt worden und lief sofort zu Ugarow, der, nur mit einer Badehose bekleidet, in der Sonne saß und aus Langeweile lächerliche Figuren schnitzte – Hasen, Rehe, Mäuse, Füchse, ziemlich grob, anatomisch nicht ganz richtig, aber immerhin erkennbar.
»Was soll das?!« schrie die Bajda in hellster Aufregung: »Stell dir das vor! Rufen die vom Bataillon an: Ersatz kommt! – Gut, sage ich. Danke, Genossen. Können wir brauchen. Der Kleinkrieg hier verlangt auch
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