Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
als die Mädchen aus den Lastwagen sprangen, ihre gefallenen Kameradinnen herauszogen und sie dann, in Formation und mit Trauerschritt, davontrugen. Der Anblick war so beklemmend, daß er keinerlei Fragen stellte und auch stumm blieb, als die Abteilung Bajda, ohne auch nur bei ihm anzufragen, damit begann, in Stara Saltow einen eigenen Heldenfriedhof anzulegen.
    In der Nacht gelang es Stella Antonowna, einen Karton mit Büchsengemüse und die Sanitätstasche des Feldschers zu stehlen. Das Wichtigste aber war, daß in einem Nachbarhaus ein massiver Holzschrank Granaten und Einsturz überstanden hatte. In diesem Schrank lagen zwei Kleider, Kopftücher und Wäsche, und auch eine Männerhose hing am Haken, dazu eine weite Bauernbluse und ein Gürtel, der aus drei zusammengedrehten Hanfstricken bestand.
    Stella holte alles ins Kellerloch und zeigte es Hesslich.
    »Wir viell Glück«, sagte sie. »Wir Bauern – du verstähn? Wirr, von Faschistän« – sie machte eine Handbewegung – »was heißen?«
    »Überrollt.«
    »Ja. Überrollt. Du von Faschistän geschlaggänn, verwundät. Du Patriott! Großäs dopros … Was ist dopros? Fraggänn, mit Schlägge …«
    »Verhör?« fragte Hesslich.
    »Ja. Verhörr! Du bald kaputt. Ich dich findän, verbinden, ich ja dejn Frau. Wir nix mähr habben Haus, müssen weg in Stadt. In Stadt sichärr. In Stadt neues Läbbän. Und Krieg kaputt …«
    »Das hört sich alles so einfach an, Stella. Vielleicht werde ich ein Krüppel bleiben.«
    »Was ist Krüppäll?«
    »Kein Bein mehr, Stella …«
    »Bist auch mit ejnäm Bein Pjotr – odder nicht?« Sie untersuchte die gestohlene Sanitätstasche. Es war die Einsatztasche des Feldschers und enthielt alles, was sie jetzt dringend brauchten: Verbände, Pflaster, schmerzstillende Mittel, Fiebertabletten, Antisepsissalbe, Wundpuder, eine Schere, Klammern, Sicherheitsnadeln, eine Arterienbinde, eine zusammenklappbare schmale Schiene, Pinzetten, Mullkompressen und Brandbinden. »Wenn ich ohnne Bein – ich dann nix mehr Stella für dich?«
    »Ich liebe dich, und wenn nur noch deine Augen übrig sind. Oder ein Finger von dir. Oder dein Haar …«
    »Warum dann fraggän? Wenn Charkow frei, wir gähänn dahin. In Charkow uns nix mähr fraggän. Wir armä Towarischtschi.«
    Unter großen Qualen für ihn machte Stella ihm einen neuen Verband. Seine Wunde sah erschreckend aus, große Narben, vielleicht sogar ein Loch im Schenkel würden zurückbleiben. Trotzdem – Stella hätte die Wunde küssen mögen; sie bedeutete für Pjotr das Leben, das Ende des Krieges, schenkte ihn ihr für das ganze weitere Leben, hatte ihn gerettet vor der Vernichtung.
    Während sie versuchte, die Wunde mit Tupfern und einer Pinzette zu reinigen und nur noch an Hautfäden hängendes Fleisch abschnitt, ehe es völlig abstarb und eine Vergiftung erzeugte, fiel Hesslich wieder in Ohnmacht. Sie nutzte die Gelegenheit und löste, solange er keinen Schmerz verspürte, mit der Schere noch weitere Fleischstücke von der Wunde. Sie fragte sich, wie das je heilen sollte ohne Nähte. Pjotr müßte in eine Klinik – ein Grund mehr, nach Charkow zu ziehen, sobald die Rote Armee die Deutschen daraus vertrieben hatte.
    Falls es Charkow dann noch gab … Welche Stadt hält es aus, dreimal erobert zu werden?
    Sie legte einen dicken Verband an, der lange halten mußte, bettete Hesslichs Kopf auf die Tasche und kroch aus dem Versteck, um sich über die Lage zu unterrichten.
    Die Kolonne war weitergezogen.
    Am vierten Tag rollten lange Autokolonnen an ihnen vorbei, mit Soldaten, Munition und Material. Artillerie folgte, dann kamen Panzereinheiten, Pferdefuhrwerke – und plötzlich stand eine kleine Zeltstadt in der Steppe, ein Stab ließ sich nieder, Funkwagen fuhren auf. Der Krieg war bereits so weit nach Westen gezogen, daß man sich hier sicher genug fühlte, um einen Divisionsstab aufzubauen.
    Stella Antonowna wagte es, sich zu zeigen. Ihre Uniform hatte sie längst vergraben, sie trug jetzt die bäuerliche Kleidung, ein ausgebleichtes Kopftuch um den Schädel, zerrissene Stiefel an den Füßen und wusch sich nicht ihr Gesicht, um so unansehnlich wie möglich auszusehen. Trotzdem verursachte ihr erstes Auftreten einen Auflauf unter den Troßsoldaten. Man rief ihr schmutzige Angebote zu, machte unanständige Gesten, aber das hörte schnell auf, als Stella Antonowna einem besonders frechen Unterleutnant zwischen die Beine trat und sich darauf beim Quartiermeister der Division, einem Oberst,

Weitere Kostenlose Bücher