Frauenbataillon
ein Feigling. Wie alle anderen Männer drückte er sich hinten in der Etappe herum und verwaltete die Mädchen wie Schuhkartons. Kam er doch einmal zur Truppe, war er hochnäsig und arrogant, mäkelte an allem herum, beklagte den nach seiner Ansicht zu hohen Verschleiß an Schlüpfern und Büstenhaltern und ließ sich peinlich genau vorrechnen, wie viele Monatsbinden die Truppe benötigte.
Verständlich, daß von solch einem Widerling keinerlei Ausstrahlung ausging. Foma Igorewitsch behauptete, der Grund für das abstoßende Benehmen dieses stocktrockenen Genossen sei die pure Angst. Von einer ähnlichen Elite-Einheit ging das Gerücht, daß dort ein Kommissar allen Freuden so aufgeschlossen war, daß man ihn in ein Krankenhaus bringen mußte, weil er sonst ganz einfach ausgetrocknet wäre.
Foma Igorewitsch erging es anders. Man achtete ihn als politischen Kommissar, hatte ihn offenbar als geschlechtslos eingestuft und benutzte ihn als Beichtvater, und das war das Fürchterlichste von allem!
Hinzu kam, daß die Einheit von Kapitän Bajda eine ganz besondere Einheit war – die Auswahl einer Auswahl, das Beste vom Besten, die Mutigen der Mutigsten: Scharfschützinnen, die eine Kopeke auf hundert Meter von einem Flaschenhals schießen konnten.
Als Foma Igorewitsch dieses Kunststück zum erstenmal sah, wünschte er sich, nie mit einem solchen Mädchen in Streit zu geraten. An Eifersucht wagte er gar nicht zu denken. Als einziger noch verfügbarer Mann hatte er das Gefühl, als seien ständig 239 Gewehrläufe auf ihn gerichtet.
Genossen, es sei zugegeben, da muß ein Mensch Nerven haben!
Wenn Foma Igorewitsch bei seinem Urlaub solche Dinge erzählte, herrschte allenthalben großes Staunen. Und um das Ganze noch zu dramatisieren, sagte er beiläufig: »Ach, liebe Brüder, ich muß ja schweigen. Alles ist ein großes Geheimnis. Wenn ihr wüßtet …« Er blinzelte dann mit den Äuglein und tat sehr verschlossen. »Es geschehen da Dinge, ich sage es euch, die ich tief in meinem Herzen vergraben muß. Vielleicht wird man nach dem Sieg mehr von uns hören … vielleicht aber auch nicht. Es ist schon eine besondere Aufgabe, die ich zu bewältigen habe.«
Seit drei Wochen war er nun wieder an der Front, hockte in einem nassen Erdbunker und wartete auf den Einsatz. Die Mädchen exerzierten, bastelten Puppen und Sterne und andere Figuren für das Weihnachtsfest oder den Tag von ›Väterchen Frost‹, aus Holz und Stroh, bunten Lappen und bemaltem Papier, langweilten sich oder hörten Radio. Bei jeder Siegesmeldung aus Stalingrad jubelten sie, verfolgten an einer großen Karte die Fortschritte der Roten Armee, und Foma Igorewitsch – als politischer Kommissar dafür zuständig – nahm die Gelegenheit wahr, hielt Vorträge über den Mut der Soldaten und den teuflischen Charakter der Deutschen und prophezeite, daß man die Aggressoren noch in diesem Winter wie die aufgescheuchten Hasen aus Rußland fortjagen würde.
Endlich dann kam die Erlösung vom Etappendienst. In der Nacht wurden sie mit Schlitten in die vorderste Linie gebracht, besetzten ein langes Grabenstück und mehrere Erdbunker und beobachteten die Deutschen, bis Leutnant Ugarow verkündete, das da drüben seien ja gar keine Njemtsi, sondern Italiener.
Das hob die Stimmung gewaltig. Zum erstenmal in ihrem Leben ergab sich hier für die Mädchen Gelegenheit, Italiener kennenzulernen! Wer kommt denn schon von Ust-Balaisk oder Karaganda, von Tschemlaki oder Tasskan nach Rom oder Venedig? Wer kann sich das leisten? Alle kannten sie Italien nur von Zeitschriftenfotos, ein prächtiges Land mußte es sein, in dem fröhliche Menschen und vor allem viele schöne Männer lebten.
Den Krieg vergaßen die Frauen über solchen Gedanken allerdings nicht. Schanna Iwanowna Babajewa war die erste, die in ihr Schußbuch einen neuen Strich eintragen konnte: Kaum fünf Stunden in der vordersten Linie, sah sie einen Feind, der damit beschäftigt war, ein Vorpostenloch zu vergrößern und sich dabei ziemlich unvorsichtig benahm. Es war in der Abenddämmerung, die Erdbrocken flogen durch die Luft, ab und zu tauchte der Spaten auf, dann der Kopf, mal die Schulter. Wie ein Maulwurf wühlte sich der Mann in den tiefgefrorenen Boden.
Schanna Iwanowna beobachtete den fleißigen Burschen, nahm seinen Hinterkopf ins Visier und zog den Zeigefinger durch. Er war der erste Scharfschützentote im Gebiet von Tschjertkowo.
Bei einem Becher heißem Tee wurde der Volltreffer in das Buch
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