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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eingetragen. Schanna war stolz und glücklich. Sie war erst achtzehn, hatte kleine, schwarze Locken wie ein Karakulschaf, runde dunkle Kulleraugen und ein wahres Madonnengesicht. Aus Tompa, einem Flecken am Baikalsee, stammte sie, hatte dort eine Schafherde gehütet und wäre wohl ihr Leben lang auch Hirtin geblieben, wenn man in Nishnij Angarsk nicht von ihr gehört hätte. Dort, in der nächstgelegenen größeren Stadt, wurde von einer Schafhirtin berichtet, die Wölfe und Adler, Füchse und Schneehasen abschieße, so daß sie aussähen, als habe sie der Herzschlag getroffen. Kein Loch im Fell … jeder Schuß ins Auge oder mitten in die Stirn, dorthin also, wo ein Einschuß das Fell nicht beschädigt. Dabei besaß sie nur das uralte Gewehr, das sie von ihrem Großvater geerbt hatte, und das war ein Schießprügel, den jeder normale Mensch aus Angst, der Schuß fahre hinten statt vorne heraus, nicht einmal mehr angerührt hätte.
    Man holte Schanna Iwanowna – sie war damals vierzehn Jahre alt und konnte weder schreiben noch lesen – nach Nishnij Angarsk, beobachtete sie, ließ sie auf eine Scheibe schießen und reichte sie weiter nach Irkutsk. Hier erkannte man ihre enorme Begabung, steckte sie in eine Internatsschule, machte innerhalb von drei Jahren einen äußerst klugen Menschen aus ihr und verlieh ihr das Ehrenzeichen der Komsomolzenschützen. Schanna Iwanowna traf eben einfach alles, worauf sie den Lauf ihres Gewehres richtete. Gerade siebzehn Jahre alt, schickte man sie schließlich nach Moskau auf die Zentralschule für weibliche Scharfschützen in Veschnjaki – eine höhere Ehre gab es kaum.
    In Veschnjaki traf sie auch die anderen Mädchen – Marianka, Lida und Darja. Sie exerzierten auf dem Kasernenhof, schleppten auf knochenbrechenden Gewaltmärschen schwere Leinentornister durch Sonne und Schneetreiben, lernten, sich zu tarnen und einzugraben, sich in Büsche zu verwandeln, auf Bäume zu klettern und sich im Astwerk unsichtbar zu machen, lernten, in Sümpfen zu versinken und nur durch Schilfrohre zu atmen – es wurde ihnen nichts geschenkt. Wie den Männern in den Elite-Einheiten brachte man ihnen eiserne militärische Disziplin bei; sie wurden Nah- und Einzelkämpferinnen mit jenem eiskalten Mut, der alles Denken übersteigt, sie wurden Geschöpfe, die ihre Menschlichkeit vergaßen, sobald im Fadenkreuz ihres Zielfernrohrs ein Kopf auftauchte.
    Als sie ihre Felduniformen erhielten und an die Front sollten, hielt die Kommandeuse der Zentralschule eine kurze Ansprache:
    »Ihr seid als kleine dumme Mädchen hierhergekommen und seid inzwischen richtige Krieger!« rief Oberst Olga Petrowna Rabutina mit heller, trompetenhafter Stimme. »Disziplinierte, begeisterte, physisch und geistig gestählte Krieger! Ihr seid bereit, jedweden Befehl der Heimat auszuführen! Die Heimat hofft auf euch! Auf zum Sieg!«
    Wirklich, sie waren alle sehr stolz. Man händigte ihnen die Schußbücher aus, harmlos aussehende Büchlein, die sich in die Tasche stecken ließen, mit lauter leeren Seiten, die den Ehrgeiz der Besitzerinnen herausforderten.
    Ein Buch des registrierten Todes. Ein Taschenbuch der Erbarmungslosigkeit, des kalten Tötens; ein Buch, das der Kunst, ein Loch genau über die Nasenwurzel zu schießen, gewidmet war.
    Ein Register von Blut und Tränen und sekundenschnellem Sterben.
    Sie konnten alle aus jeder Lage und bei jedem Licht schießen, diese jungen, fröhlichen, hübschen Mädchen in den erdbraunen Uniformen, die jetzt an die Front gefahren wurden. Sie waren Freundinnen, und sie schworen sich, wenn möglich immer zusammenzubleiben und recht viele Deutsche zu töten. Die mit den besten Beurteilungen bildeten bald eine kleine Gruppe und meldeten sich bei Kapitän Soja Valentinowna Bajda und ihrem schmucken Leutnant Victor Iwanowitsch:
    Marianka Stepanowna Dudowskaja, Schanna Iwanowna Babajewa, Darja Allanowna Klujewa, Lida Iljanowna Selenko.
    Sie waren die Besten des Lehrgangs. Aber schon in Veschnjaki hatte es geheißen, daß es da noch ein wahres Schießgenie geben sollte, eine Weberin aus der Ukraine, zwanzig Jahre alt, ein richtiges Teufelchen, so sagte man. Als die Deutschen die Ukraine überrannten, hatte sie in Wäldern und Erdhöhlen gelegen, zusammen mit neun Männern die Straßen gesprengt, Lastwagen des deutschen Nachschubs überfallen, Minen gelegt, Versorgungslager angezündet, Spähtrupps, die nach Partisanen suchten, vernichtet und Benzinlager in riesige Fackeln verwandelt.
    Sie war

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