Freakshow
Auseinandersetzung, in der ich eindeutig, unbestreitbar, hundertprozentig den Kürzeren zog. Es folgte eine handgreifliche Auseinandersetzung, in der es mir zumindest gelang, die Quittung zu grapschen, zu zerknüllen und mir in den Mund zu schieben, und so einer Anzeige wegen Urkundenfälschung zu entgehen. Gegen die wegen Hausfriedensbruchs half nur die Flucht.
»Übrigens«, rief mir Frau Spirititolu noch hinterher, »Sie haben noch exakt achtundvierzig Stunden. Dann läuft unsere Aufbewahrungsfrist ab.«
Ich stoppte, in der Tür, spie das Papier aus. »Ja wie, und dann?«
»Danach schläfern wir nicht abgeholte Tiere ein.« Und ich spürte, sie lachte hinter meinem Rücken.
Noch achtundvierzig Stunden! Ich fuhr zurück ins Village, dass das Gummi nur so kreischte. Mir blieb nur eins: mich voll auf Laurentz zu werfen, den Bugatti zu finden, die Kohle zu kassieren und … Vor meiner Behausung parkte ein maritimblauer Neunelfer RS mit Luxemburger Kennzeichen. Ein Typ mit etwas zu langem, lässig nach hinten gekämmtem Haar lehnte an der Fahrertür und sah mir durch eine horngefasste Sonnenbrille entgegen. Ein feuchtes, um seinen Nacken geschlungenes und beidhändig gehaltenes Frotteehandtuch schien ihn absolut kühl zu halten.
»Wie haben Sie mich gefunden?«, fragte ich baff.
»Kryszinski, Sie scheinen zu vergessen, dass ich Polizist bin«, entgegnete Commissaire Leblanc.
»Kann mit Ihrer Aufmachung zusammenhängen«, sagte ich.
Leblanc wirkte wie jemand, dessen Alltag aus einer porschebeschleunigten Pendelbewegung zwischen möglichst exklusiven Sport-Clubs besteht. Wenn er - oder da er - Bulle war, sah er aus wie ein Bulle, der Geld nimmt. Oder hat, so gesehen, mit dem Beruf als Zeitvertreib. Aber vielleicht wohnte er ja auch mit Mitte dreißig immer noch bei Mama und konnte so den Großteil seines Gehalts dafür verwenden, sich hübsch herauszuputzen.
»Davon abgesehen, sind Sie wahrscheinlich der einzige Privatdetektiv weltweit ohne Telefonanschluss.«
»Nun, ich bin momentan zwischen zwei Verträgen, da …«
»Sie haben Ihre Rechnungen nicht bezahlt.« Commissaire Leblanc belügen zu wollen, erwies sich als ähnlich schwierig, wie Hauptkommissar Menden etwas vorzumachen, doch das hat mich noch nie davon abgehalten.
»Es gab ein paar Unstimmigkeiten, die ich reklam…«
»Weil Sie pleite sind. Doch Sie haben Glück, ich habe einen Auftrag für Sie.« Leblanc bückte sich durch das offene Seitenfenster seines Wagens und kam mit einer schmalen Mappe in Händen wieder hoch. »Sollen wir reingehen?«
Drinnen hockte Scuzzi mit Sonny und Cher vor dem Fernseher und lachte sich schier scheckig über eine zwanzig Jahre alte Sitcom. Sonny und Cher blickten eher drein, als hätten sie die Folge schon hundertfünfzig Mal gesehen. Und von Anfang an nicht kapiert, worum es ging. Ich zog den Stecker, das Konserven-Gelächter erstarb, und die drei trollten sich.
Leblanc sah ihnen nicht hinterher und gab auch keinerlei Kommentar ab. Nicht mal zu der bitteren, entfernt an Weihrauch erinnernden Qualmwolke, die die Decke verdunkelte.
Ich schloss die Tür und sah ihn an. »Benjamin Peelaert«, sagte er, und ich schauderte. Manches ruckartige, schweißnasse Aufwachen durch mein eigenes Schreien habe ich der Erinnerung an Benjamin Peelaert zu verdanken, der Erinnerung an diese kalten Augen in einem Gesicht voll geplatzter Äderchen, an diesen Fotzenbart und natürlich an seine knochigen Griffel und, o Mann, den Zahnarztbohrer, den sie hielten. Und hielten.
»Benjamin Peelaert«, echote ich mit rauer Stimme. »Ja«, sagte Leblanc knapp. »Es gibt ein Lebenszeichen von ihm.«
»Wo ist er?«, fragte ich. »Wir wissen es nicht.«
»Wo ist er?«, fragte ich noch mal, gebeutelt von einem Hochkochen lange unterdrückter Gefühle. Ich wollte ihn in die Finger kriegen, ich wollte ihn in meiner Gewalt haben, allein, ich wollte ihn zittern spüren, leiden sehen, kreischen hören, flehen.
Leblanc seufzte. »Wir vermuten ihn irgendwo im französischsprachigen Raum.«
»Na, wundervoll«, höhnte ich. »Schließt das Guayana ein? Madagaskar? Die Antillen?«
»Ja«, sagte Leblanc mit bemühter Geduld. »Louisiana? Quebec?« Ein Wutanfall wollte mich mitreißen, und ich hatte absolut nichts dagegen. Immer nur beherrscht zu sein ist auch nicht normal. »Kryszinski, wollen Sie einen Job, oder wollen Sie Dünnschiss reden?«
Es war doch immer wieder verblüffend, was für ein klares Deutsch der Luxemburger sprach. Es
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