Freche Mädchen... 09: Liebe, Chaos, Klassenfahrt
zuständig.«
»Aber was ist mit dem Theater?«, wandte ich ein. »Ich meine, kann sie denn während der Spielzeit so einfach weg?«
»Ja, kann sie.« Papa klang entschlossen. »Die Situation hier am Theater ist schwierig. Zu viele Schauspieler, zu wenig Rollen. Jedenfalls hat Natascha im Moment kein Engagement, also kann sie auch weg. Verstanden?«
Ich hatte verstanden.
In meinem Zimmer legte ich mich aufs Bett und überlegte. Die Fahrt nach Sachsen würde also stattfinden und Natascha würde uns begleiten. Peinlich! Jemandem, der schon mal allen Ernstes Nudeln mit Schokoladensoße gekocht und sogar noch davon gegessen hatte, traute ich weitere Peinlichkeiten zu.
Natürlich würde Natascha vor allem mich im Auge behalten, ich stand sozusagen unter einer Art elterlicher Aufsicht und dazu noch vor den Augen der ganzen Klasse. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Anke musste mir helfen.
Nur einen einzigen Trost hatte ich. Papa und Natascha würden sich einige Tage lang nicht sehen. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.
»Deine Freundin
Anke hat dreimal angerufen!!!« stand auf dem Zettel, den Papa mir auf den Frühstückstisch gelegt hatte. Von ihm selbst war im ganzen Haus nichts zu sehen. Wahrscheinlich war er bei Natascha. Immerhin hatte er daran gedacht, mir ein Brötchen auf den Teller zu legen und meine Lieblingsmarmelade zu besorgen.
Ich schmierte mir gerade fingerdick Orangenmarmelade drauf, da klingelte das Telefon.
»Dannitzki hat gestern Abend noch alle Eltern angerufen und gesagt, dass Erdmannsweiler stattfindet!«, regte sich Anke auf. »Mensch, Carlotta, dein Plan war ja nicht übel, aber das ging alles grandios daneben. Ist dir klar, dass wir jetzt nach Erdmannsweiler fahren? Ich könnte heulen. Hast du dir die Liste von Danni mal genau durchgelesen? Wanderschuhe, Rucksack, Pflaster, falls wir Blasen kriegen, und lauter so ’n Kram.« Sie schwieg erschöpft. »Was machen wir denn jetzt?«
»Tut mir leid, dass ich das verbockt habe«, sagte ich kleinlaut. »Aber ich war so sicher, dass Natascha auf keinen Fall mitgeht. Kannst du dir vorstellen, wie bescheuert das für mich ist? Wahrscheinlich spielt sie sich wie eine Mutter auf.«
Anke ließ ein mitfühlendes »du Ärmste« hören.
»Wahrscheinlich will sie schon mal antesten, wie ich reagiere, wenn sie erst hier einzieht«, fügte ich hinzu.
»Was? Will die deinen Vater heiraten?«
»Wahrscheinlich. Ich bin mir sogar ziemlich sicher. Aber da gibt es ja noch ein Hindernis und das bin ich. Vielleicht sollte man mich bei der ganzen Sache auch mal fragen.«
»Stimmt«, unterstützte mich Anke. »Du bist schließlich die Hauptbetroffene. Wie sieht Natascha überhaupt aus? Ich meine, ist sie hübsch oder so?«
»Hübsch?« Ich überlegte kurz. »Nein, ich glaube nicht, dass man sie hübsch nennen könnte. Ich vermute, dass an ihr eigentlich alles unecht ist. Falsche Wimpern und …«
»Silikonbusen, stimmt’s?«, kicherte Anke. »Das ist bei Schauspielerinnen meistens so. Sag bloß, dein Vater hat das noch nicht bemerkt.«
»Meine Mutter sagt immer, Männer merken gar nichts. Auf meinen Vater trifft das hundertprozentig zu. Ich muss ihn auf alle Fälle vor Natascha schützen. Sie muss merken, dass sie Papa auf keinen Fall kriegen kann.«
»Ich helf dir«, versprach Anke. »Vielleicht ist Erdmannsweiler dann nicht ganz so langweilig.«
Am Sonntagabend, kurz nach neun, war Treffpunkt am Bahnhof. Herr Dannitzki wäre natürlich lieber tagsüber gefahren. »Dann sieht man wenigstens was von der Landschaft.« Aber so sparten wir eine Übernachtung ein. »Bitte absolut pünktlich sein. Wer zu spät kommt, bleibt zu Hause«, hatte er gedroht und gemurmelt, es sei viel einfacher, einen Sack Flöhe zu hüten als eine Mädchenklasse.
»Was bin ich froh, dass Sie mitfahren, Frau Lewin«, sagte er zu Natascha und verlor kein Wort darüber, dass sie zwei Minuten zu spät kam. »Wir sind gut in der Zeit. Der Zug kommt erst in fünfzehn Minuten.«
»Und warum mussten wir dann schon so früh kommen?«, beschwerte sich Andrea, aber sie sagte es nur halblaut.
Dannitzki holte einen Zettel aus seiner beigen Windjacke und las mit erhobener Stimme vor. »Ich finde es entzückend von Frau Lewin, dass sie es der Klasse ermöglicht, unvergessliche Tage im Herzen Sachsens zu verbringen. Ich finde, das ist einen Applaus wert.«
Wahrscheinlich hatte seine Frau ihm den Text diktiert. Dann klatschte er doch tatsächlich in die Hände und ein paar
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