Freche Mädchen... 09: Liebe, Chaos, Klassenfahrt
werde dir das nie vergessen.«
Viertel nach acht lief ich im Speisesaal ein.
Zu früh ist blöd, hatte Anke zu bedenken gegeben. »Dann sind noch viele Plätze frei und jeder fragt sich, warum Carlotta sich nicht zu ihrer Klasse setzt. Ideal wäre, wenn du dich neben Max setzen müsstest, weil sonst nichts mehr frei ist.« Anke ging schon um halb acht frühstücken, einfach um »die Lage zu checken«, wie sie sagte, und um mir genaue Informationen zu Max zu geben. Mit den Angaben, dass er dunkelblonde halblange Haare hatte und ungeheuer süß aussah, konnte ich relativ wenig anfangen.
»Stell dir vor, ich spreche den Falschen an«, unkte ich. »Du musst unbedingt rausfinden, was er anhat.«
Ich blieb mit knurrendem Magen im Zimmer zurück und wartete. Mit schwarzem Filzstift malte ich Männchen auf eine Papierserviette, bis mir eine bessere Idee kam, die Zeit bis zu meinem Auftritt totzuschlagen. Ich holte Ankes Waschbeutel und schmierte mir getönte Gesichtscreme, dunkelblauen Lidschatten und Lippenstift ins Gesicht.
Leider konnte ich mein fertiges Werk nicht genauer betrachten, denn der Waschraum war inzwischen von der Putzfrau belegt. Als ich in den Taschenspiegel, den ich unter Ankes Kopfkissen gefunden hatte, schaute, bekam ich erst mal einen gewaltigen Schreck, bis mir klar wurde, dass ich in einen Vergrößerungsspiegel blickte.
In diesem Moment klopfte es an der Tür, Heike steckte die Nase herein und rief: »Anke lässt dir ausrichten, du sollst sofort kommen. Ach ja, und diesen Zettel soll ich dir geben.« Sie musterte mich und wollte noch etwas sagen, aber ich schob sie zur Tür hinaus und entfaltete den Zettel.
»Weiß, blau-grün kariert, schwarz«, las ich und grinste. Falls Heike den Zettel gelesen haben sollte, so konnte sie damit bestimmt nichts anfangen. Ich atmete dreimal tief durch, so, wie Jenny das vor Konzerten immer macht. Das würde jetzt mein Auftritt werden.
Wie auf Watte
ging ich in den Speisesaal. Irgendjemand sagte: »Ach, da kommt ja Carlotta. Bist du schon wieder abgehängt worden?« Alle lachten. Ich reagierte gar nicht. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, dass neben Natascha und Herrn Dannitzki noch Plätze frei waren. Außerdem stand Andrea gerade auf und winkte mir zu. Betont unauffällig drehte ich mich halb zur Seite und musterte blitzschnell die Tische daneben. Einen Moment lang hatte ich den Eindruck, dass mich alle anstarrten. Wo saß bloß dieser verdammte Max?
»Carlotta«, hörte ich Natascha rufen. »Setz dich doch zu uns!«
Ich musste unbedingt Zeit gewinnen. Langsam ging ich zu dem Tisch, auf dem ein kleines Frühstücksbuffet aufgebaut war und nahm mir zwei Scheiben Brot. Ich konnte doch jetzt nicht an allen Tischen entlanglaufen und nach einem weißen T-Shirt, blau-grün karierten Sweatshirt und schwarzen Jeans suchen.
»Carlotta, was ist denn los?« Papas Neue stand direkt hinter mir und das war für mich das Startsignal. Ich schnappte mir noch zwei Scheiben Wurst und eine Ecke Käse und balancierte mein Frühstück an der verdutzten Natascha vorbei zum nächstbesten Tisch. Und dann entdeckte ich ihn! An der Längsseite des nächsten Tisches saß er – jedenfalls entsprach er genau der Beschreibung auf Ankes Zettel – und schmierte sich Marmelade aufs Brot.
Mit einer eleganten Drehung wich ich unserem Mathelehrer aus, der wahrscheinlich der total schockierten Natascha zu Hilfe eilen wollte, und stand endlich Max direkt gegenüber. Natürlich waren alle Plätze an seinem Tisch besetzt, aber darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen.
Die Jungs an dem Tisch guckten ziemlich erstaunt, als ich mich plötzlich auf die Bank zwischen ihnen quetschte, zwei Brote, zwei Scheiben Wurst und eine Ecke Käse auf den Tisch legte und Hallo sagte. Ich hörte meine Stimme aus weiter Ferne; sie klang fremd und piepsig.
Ich hatte den Eindruck, dass im ganzen Speisesaal atemlose Stille herrschte, alles schien darauf zu warten, was ich als Nächstes sagte. Jetzt war sowieso alles egal. Ich merkte, wie ich Max meine Hand über den Tisch hinweg entgegenstreckte und hörte mich sagen: »Hallo, ich bin Carlotta und wie heißt du?«
Der Junge gegenüber blickte auf. Dunkelbraune Augen, kleine Narbe am Kinn, notierte ich mir im Geiste. Immer noch war es ringsherum totenstill. Der Junge schluckte, dann nahm er meine Hand, schüttelte sie und sagte, er heiße Jannis. Dann ließ er meine Hand los. Im Hintergrund hörte ich Stimmengewirr, irgendjemand lachte halblaut.
Mir
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