Freche Mädchen... 10: Headline mit Herz
gespannt.
Wobei ich nicht weiß, was ich meiner Freundin mehr wünschen soll: dass sie mit Hendrik ein Date vereinbart oder dass er ihr zu verstehen gibt, dass sie nicht sein Typ ist. Im letzteren Fall wäre es wenigstens nur ein Ende mit Schrecken. Im ersteren Fall, wenn die beiden beginnen sollten, an einer Beziehung zu arbeiten, wäre es ein Desaster ohne Ende. Ich wünsche meiner ärgsten Feindin keine Beziehung zu Hendrik. Aber was soll ich tun, wenn Jenny meine wertvollen Ratschläge in den Wind schießt?
Endlich höre ich die Tür klappen. Gespräch offenbar beendet. Na, dann mal los, Jenny, denke ich, schließe den Laptop und lehne mich auf der Matratze gegen die Wand, den Blick auf die Zimmertür gerichtet. Ich höre Schritte, dann Hendriks Tür – peng –, dann Ruhe.
Hallo? Hat er Jenny etwa gleich auf sein Zimmer abgeschleppt? Was geht denn hier?
Das muss ich wissen.
Ich schleiche aus meinem Zimmer, lausche. Stimmen aus dem Wohnbereich. Offenbar haben Mama und Papa die Oma erreicht. An Hendriks Tür lege ich das Ohr gegen das Holz, höre aber nur die klackende Tastatur, auf der er herumhackt. Kein Flöten. Ich beuge mich vor, um durch das Schlüsselloch zu linsen, sehe zerknülltes Papier. Von Hendrik in das Loch gedrückt. Was denkt der von mir! Unverschämtheit.
Ist Jenny wieder abgerauscht? Gibt’s das?
Die Uhr zeigt fast halb fünf, und ich beschließe, sie anzurufen.
»Hey, wo bleibst du denn?«, rufe ich in den Hörer, als sie sich atemlos meldet. Verkehrslärm bildet die Hintergrundmusik. In Hendriks Zimmer rekelt sie sich jedenfalls nicht. »Wolltest du nicht um vier Uhr hier sein wegen des Englischbuchs?« Ich kann sehr unschuldig tun, wenn es wichtig ist.
»Merle!« Jenny kreischt hysterisch und ich halte mir das Handy vom Kopf, damit mein Ohr nicht anfängt zu bluten. »Ich war schon da! Und du glaubst nicht, wer mir geöffnet hat!«
Doch, glaube ich ihr aufs Wort. Ich war ja nicht nur Strippenzieherin, sondern auch Zeugin. Ich brauche keine Fragen zu stellen, Jenny plappert drauflos, ohne Punkt und Komma, und kein einziges Mal taucht das Wort ›Englischbuch‹ auf, dafür ein Dutzend Mal »süß« und doppelt so häufig »schnuckelig«, getoppt nur noch von »waaaaahnsinnig happy«.
In den zehn Minuten an der Tür ist es ihr tatsächlich gelungen, Hendrik in ein Gespräch über Kinofilme zu verwickeln, und nachdem sie festgestellt hat, dass sie – für mich aus heiterem Himmel – genauso auf blutige Action steht wie Hendrik, haben sie sich für Freitag im Cinema verabredet. Ein Date, ein echtes Date!
Ich freue mich angemessen mit ihr.
»Aber ob ich dich beglückwünschen soll, Jenny, das weiß ich echt nicht«, füge ich noch an. »Du kennst meine Meinung über Hendrik. Das kann nicht gut gehen mit dem. Der Typ ist beziehungsunfähig.«
»Vielleicht war bisher nur noch nicht die Richtige dabei«, gibt Jenny mit sprühendem Optimismus zurück. »Ach, Merle, ich bin waaahnsinnig happy!«
Jenny ist gar nicht mehr zu stoppen, sie malt mir in schillernden Farben aus, was in dem Kino am Freitag passieren wird und wie toll das sein wird, wenn sie und Hendrik erst ein richtiges Paar sind und wie neidisch alle – außer mir – sein werden, weil sie sich den schnuckeligsten Typ der Schule geangelt hat.
Ihre überschäumende Freude rauscht an mir vorbei, ich höre mir alles an und gleite mit den Gedanken wieder zu meinem Artikel, den ich heute unbedingt im Rohentwurf fertigstellen will. Aber erst eine halbe Stunde später gehen Jenny die Superlative aus und wir verabschieden uns.
Als ich den Laptop öffne, um an der Story weiterzutippen, blinkt das Mailprogramm. Eine Nachricht von Leon.
So ungerecht ist das auf der Welt verteilt. Die einen tanzen auf rosa Wolken vor Liebesglück, die anderen haben nichts als Ärger an der Backe.
Von: Leon Bergazy
An: Merle Julieta Fernandez
Betreff: Aus Dankbarkeit vielleicht?
Liebe Merle,
du glaubst gar nicht, wie glücklich mich deine letzte Mail gemacht hat! Ich freue mich für dich, dass du so viele neue Ideen für deine Zeitung hast – und das alles wegen mir! Das lässt mich darauf hoffen, dass wir irgendwann unsere Mini-Feindschaft vergessen und Freunde werden. Wenn nicht aus Zuneigung, dann wenigstens aus Dankbarkeit.
Wenn du weiteren Input brauchst – gib Bescheid! Ich bin immer für dich da.
Allerliebste Grüße,
Leon
Liebesfrust mit Foto?
Ich hätte unseren Hauptartikel gern geheim gehalten, damit der Knalleffekt größer
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