FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Rettungstunnel zwischen dem Kloster ›Unser Lieben Frauen‹ und dem Dom. Vielleicht ist dieser Gang damit verbunden?!«
»Und dann könnten wir durch diesen in unser Haus zurückkehren, wenn Sudenburg aufgegeben wird«, dachte Rosa laut weiter.
»Finden wir's heraus!«, sagte Benno abenteuerlustig. Er blickte sich um und entdeckte einen Vorschlaghammer, der an der Kellerwand lehnte. »Ah, Meister Münkoff, Sie haben schon alles bereitgestellt. Warum noch lange zögern? Schlagen wir die Wand ein!«
»Halt, halt, nicht so eilig, Herr Advokat.«
»Sagen Sie einfach ›Benno‹.«
»Gut, Benno. Ich heiße Hans.«
Der Gerber reichte Benno seine schwielige Hand, und der ergriff sie und schüttelte sie kräftig. Rosa schien es zu gefallen, dass ihr Vater den jungen Mann in sein Herz geschlossen hatte, denn sie strahlte übers ganze Gesicht.
»Was ist nun mit der Wand?«, wollte sie wissen. »Warum sollen wir nicht sofort ein Loch schlagen.«
»Das könnte die Nachbarn oder die Leute auf der Straße misstrauisch machen«, erklärte ihr Vater.
»Die Schultzes sind vorhin weggegangen, und der alte Grimm hört doch fast nichts mehr.«
»Trotzdem, wir müssen vorsichtig sein. Neugierige Gaffer können wir nicht gebrauchen.«
In diesem Moment krachte etwas gegen die Stadtmauer.
Sie alle zuckten zusammen und blickten sich erschrocken an.
»Tilly beginnt Sudenburg zu beschießen!«, rief Benno aus. »Das ist unsere Chance.«
Tatsächlich brüllten am Ostufer der Elbe die Kanonen und Mörser auf, die Tilly dort am frühen Morgen aufgestellt hatte. Wieder und wieder schlugen schwere Eisen- und Steinkugeln gegen die Wehranlagen und die Dächer und Wände der Häuser.
»Ein Glück, dass sich unser Haus direkt hinter der Stadtmauer befindet«, sagte Rosa bleich. »Die meisten Geschosse fliegen über uns hinweg.«
Kurz entschlossen drückte Hans Münkoff Benno die Öllampe in die Hand, griff den Vorschlaghammer und hieb mit wuchtigen Schlägen auf die Backsteinwand ein. Schon bald gab sie nach. Das alte Mauerwerk gab nach und ein dunkles Loch wurde frei. Münkoff vergrößerte es weiter, sodass man schließlich hindurchgehen konnte, ohne sich bücken zu müssen.
Benno hielt die Lampe hinein. Ein kalter, aber muffiger Hauch schlug ihm entgegen. »Das muss tatsächlich ein Gang sein«, sagte er, »sonst würden wir hier keinen Luftzug spüren.«
Rosa trat neben ihn und rümpfte ihre Nase. »Das stinkt ja, als hätte man hier fünfhundert Jahre nicht gelüftet.«
»Das kann sehr wohl sein, liebste Rosa«, lachte Benno, »vielleicht wurde der Gang schon bald nach Kaiser Ottos Tod zugemauert. Komm, schauen wir nach, wohin er führt.«
Er trat durch die Öffnung, balancierte über den Schutt auf der anderen Seite und reichte anschließend Rosa die Hand.
»Passen Sie auf, dass Sie nicht über all das Geröll stolpern.«
Er blieb immer noch beim ›Sie‹, obwohl er mit ihrem Vater schon die Vornamen ausgetauscht hatte. Er wollte einfach nur weiter seine Achtung ihr gegenüber zeigen.
Hans Münkoff folgte seiner Tochter und blickte sich im Schein der Öllaterne erstaunt um.
»Das ist ja eine alte Waffenkammer!«, sagte er.
Tatsächlich lagen auf dem Boden verrostete Schwerter und Streitäxte herum, und an den Wänden lehnten mit Grünspan überzogene Lanzen.
Bennos Blick blieb an einer eisenbeschlagenen Truhe hängen, die an der Wand stand. Er ging hinüber, hob den Deckel an und blickte hinein.
»Kein Schatz«, sagte er enttäuscht, »nur ein Bündel Lumpen.«
Doch dann griff er hinein und wühlte in der Truhe herum. Plötzlich berührten seine Finger kalten Stahl – ein Schwert!
»Ich hab was gefunden!«, rief er und hielt die in einem fettigen Tuch und Leder eingewickelte Waffe in das Licht der Öllampe.
»Männerspielzeug!«, sagte Rosa nur.
Doch Benno gab nichts auf ihre Worte, reichte Hans Münkoff die Lampe, wickelte das Schwert aus dem Tuch und polierte es mit einem Lumpen, bis es silbern glänzte. Die Klinge war etwa sieben Handbreit lang. Griff, Parierstange und Knauf waren mit eingelegtem Gold und Silber reich verziert. Benno pfiff durch die Zähne.
»Ein Prachtstück!«, sagte nun auch Hans Münkoff anerkennend. »Muss irgendeinem feinen Herrn gehört haben.«
Benno nickte: »Das kann man wohl sagen. Und trotz seines Alters glänzt es noch so, als wäre es neu. Es war eben gut eingefettet und verpackt und konnte deshalb nicht rosten.«
Er drehte die Waffe mehrmals im Handgelenk und schlug dann
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